Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
teuer, und meistens mußten sie sich auf einen Sixpack Budweiser beschränken. Zu essen gab es Sandwiches mit Erdnußbutter oder Karottenstreifen und billigen Käse und, wenn sie gut bei Kasse waren, Buffalo Wings oder Kutteleintopf zum Mitnehmen von Chickee’s Place.
    Plastik kam in der Antiques Roadshow selten vor, aber wenn, dann waren beide völlig aus dem Häuschen und kritzelten fieberhaft in ihre Notizbücher. Als ein untersetzter Mann aus Baltimore seine altertümliche knallrote ABS-Olivetti-Schreibmaschine mit rotem Aufsatzgehäuse aus den sechziger Jahren präsentierte, stampften sie vor Eifersucht mit den Füßen und johlten erbittert, als der »Experte« sie auf den jämmerlichen Wert von hundert Dollar schätzte. Onkel Tam sagte, wenn er das Geld hätte, würde er nach Baltimore fliegen und dem Mann ein Angebot machen, obwohl der Flug natürlich die Kosten in die Stratosphäre schießen würde. Zu guter Letzt begnügte er sich damit, ganz Denver ergebnislos nach einem zweiten Exemplar des herrlichen Instruments abzusuchen.
    Die Antiques Roadshow hätte Stunden dauern können, ohne daß sie es müde geworden wären, in glücklicher Vorfreude wie gebannt dazusitzen, Schätzpreise zu nennen, bevor die Experten den Mund aufgemacht hatten, Karottenstreifen zu essen, die sich verbogen, während sie eintrockneten. Nach der Sendung waren sie unruhig, und Bromo ging in das Zimmer mit dem Künstlerischen Plastik, um Staub zu wischen. Sie sprachen über die große Entdeckung, die ihnen den Durchbruchbringen würde, und oft machten sie sich voller Enthusiasmus zu den abendlichen Flohmärkten auf und kehrten um Mitternacht mit Kisten voller wertlosen Krams zurück. Einem Durchbruch am nächsten kamen sie mit einem vergilbten Tagebuch aus der Feder eines gewissen A. Jackson; Tam spekulierte darauf, daß es sich um Andrew Jackson handeln könne. Doch die liebevollen (und allmählich kühler werdenden) Erwähnungen eines »Mr. Jackson« im Verlauf der Seiten dämpften ihre Erwartungen, und sie stellten fest, daß »A.« für Amelia Jackson aus Poultney in Vermont stand, eine aus dem großen Heer derer, die Neuengland mit dem Ziel der kalifornischen Goldfelder um 1850 verlassen hatten. Das Tagebuch – schlichte Notizen über Wetter, Staub und die zurückgelegten Meilen – endete unvermittelt während des Halts am Independence Rock. Amelia Jackson schrieb:
     
    Mr. Jackson hat beschlossen, sich zusammen mit mehreren anderen, die sich mit unserem Führer Mr. Murk nicht einigen können, von unserem Wagenzug abzuspalten. Ich soll bei unserem Wagen bleiben, und so es unserem Herrn gefällt, werden wir einander in San Francisco wiedersehen. Die Männer wollen querfeldein zu den Goldfeldern reiten. Ich halte dieses Vorgehen für unbesonnen. Vieles gäbe ich darum, zu Hause bei Mutter und Vater und meinen lieben Schwestern zu sein, in Frieden und Eintracht und mit Wasser in HÜLLE UND FÜLLE.
     
    Es gelang ihnen, das Tagebuch für ein paar hundert Dollar an die Pioneer Historical Library in Independence, Missouri, zu verkaufen, und Bromo sagte verbittert, wenn es ein Tagebuch von Andrew Jackson gewesen wäre, hätten sie sich zur Ruhe setzen können.
    Im Lauf der Jahre fiel Bob auf, daß Bromo Redpolls Begeisterung für die Antiquitätensendung mit der seines Onkelsnicht mithielt. Er machte sich immer unverhohlener über Tiffany-Lampenschirme und alte Tagebücher lustig. Mitten unter der Sendung stand er auf, sagte: »Sag mir Bescheid, wenn die Kenos dran sind«, ging in die Küche und kramte im Kühlschrank, denn das einzige, was ihn noch an der Sendung zu interessieren schien, waren die Auftritte der Keno-Zwillinge aus New York, Experten für amerikanische Möbel. Bob fand, daß die Zwillinge wie belebte Wachspuppen aussahen, doch ihre Kleidung faszinierte ihn. Er mußte an das Wort »adrett« denken. Sie waren adrett gekleidet, auf eine Art, wie es niemand in Denver war oder je sein würde.
    In dem Jahr, in dem Bob den High-School-Abschluß machte, endete die Partnerschaft schließlich an einem Sonntagabend nach der Sendung. Bromo hatte den größten Teil der Sendezeit in der Küche damit verbracht, Peanut Butter Dreams zu bakken, doch mit einem Ohr in Richtung Wohnzimmer, um es nicht zu verpassen, falls Tam »Achtung, Keno! « rufen sollte. Gegen Ende der Sendung war es soweit gewesen, und er war hinübergestürzt und hatte eine herrliche Aufsatzkommode gesehen, bei deren Anblick den Zwillingen die Hände zitterten.

Weitere Kostenlose Bücher