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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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nicht alle kann man hören. Die Menschen haben so viele Klapperschlangen totgeschlagen, daßsich nur noch die Burschen fortpflanzen, die keinen Lärm machen. Eines Tages wird es nur noch stumme Klapperschlangen geben. Außerdem ist es viel zu heiß. Solche Ausflüge macht man im November, nicht im Juni.«
    Sie gingen zurück und kamen weder im November noch sonst je wieder. Doch Bob hatte oft gedacht, daß er die Dinosaurierspuren eines Tages erkunden würde, vielleicht mit einem Mountainbike und ganz gewiß bei kaltem Wetter, wenn die Klapperschlangen ihren Winterschlaf hielten. Und als er sich jetzt an die abgebrochene Wanderung erinnerte, dachte er, daß er es vielleicht während einer seiner Fahrten zwischen Denver und dem Panhandle-Gebiet noch einmal probieren wollte. An einem kühlen Tag.
     
    Nördlich von Clayton stieß er auf eine gelbliche ungeteerte Straße, die ihn um Haarnadelkurven, über buckelige Brücken und durch Furchen führte, die so tief waren, daß das Chassis gegen den Boden stieß. Es war schon Nachmittag, als er in Teemu herauskam, nicht weit von der Black Mesa entfernt, im Oklahoma-Panhandle, einem Piniennuß-Wacholder-Hochplateau, dessen Felsen von Feigenkaktus, Zürgelbaum, Zwerg- eichen durchsetzt waren. Bei einem Gemischtwarenladen hielt er an, um eine Flasche Wasser und ein Schinkensandwich zu kaufen, und wurde von dem redseligen Inhaber festgehalten, einem schwabbeligen Mann mit weißen Schnurrbartborsten, der erst vor kurzem aus Kalifornien gekommen war und Bob sein ehrgeiziges Altersprojekt erläuterte, aus dem Ort ein zweites Santa Fe zu machen.
    »Sehen Sie, meine Großeltern sind in den Dreißigern hier abgehauen. Dust-Bowl-Zeiten. Ich dachte, ich komme zurück und seh mir an, was sie hinter sich gelassen haben. Landschaftlich tipptopp. Bestes Potential. Strom gibt’s auch, was man von Kalifornien nicht immer sagen kann. Handwerker, Holzschnitzer und Maler sind da, Indianer und Leute mit Scheunenvoller Antiquitäten, wir haben Touristen was zu bieten, muß nur ins richtige Licht gerückt werden. Vorwiegend religiöser Andenkenhandel – das Cowboy-Bibel-Zeltlager sorgt den ganzen Sommer über für Nachschub. Drüben in Kenton haben sie die Passionsspiele, da kommen sie zu Tausenden. Wir haben jetzt sogar ein Weingut, Butch Podzemny hat seine Ranch drüben im Osten auf Weinbau umgestellt. Mit ein bißchen Glück kann der Oklahoma-Panhandle Napa Valley noch den Rang ablaufen. Prima Klima für den Weinbau, Hochland, trocken, viel Sonne, saubere Luft, leichter steiniger Boden. Unser neuer County-Vertreter sagt auch, daß wir die Chance haben, eine prima regionale Rebsorte zu produzieren. Sein Vorgänger konnte über Kühe nicht hinausdenken.«
    Bob hatte den Eindruck, daß der Mann sich bemühte, die Gegend schönzureden, um sein Bedauern zu übertönen, daß er Kalifornien verlassen hatte und jetzt im Bullauge der Dust Bowl festsaß.
    »Wenn es uns gelingt, Oklahoma Today für uns zu interessieren, und sie herkommen und einen Artikel über uns schreiben, dann könnte ich mir vorstellen, daß die Geschäfte bei uns schlagartig um fünfzig Prozent besser laufen. Aber bisher sind wir hier ein bißchen weit ab vom Schuß. Im Augenblick will ich mich noch nicht spezialisieren, ich habe von allem was, bis ich weiß, was die Leute brauchen. Ich habe Kalender, Lebensmittel, einen Imbiß. Ich habe die Zapfsäule, die einzige im Umkreis von dreißig Meilen. Nächstes Jahr geht es richtig rund. Ich habe einen Freund breitschlagen können, daß er das alte Hotel wieder auf die Beine stellt, mit einem netten Restaurant. Bis dahin hat Butch seinen ersten Jahrgang fertig. Wenn es hinhaut, dann würden genug andere lieber heute als morgen der verdammten Rinderzucht ade sagen und was Nettes wie Weinbau betreiben. Der Durchbruch ist nur eine Frage der Zeit. Teemu wird das nächste Santa Fe. «
    Bob brauchte genau zwölf Sekunden, um die trübseligeBoomtown der Zukunft zu durchqueren, vorbei an drei Kirchen mit Läden als Untermietern, sieben eingestürzten oder leerstehenden Gebäuden, der alten Schule, die mit Brettern vernagelt und mit doppeltem Telegrafendraht umschlungen war, vorbei an einem vergammelten Gebäude aus Steinquadern ohne Dach, an dem ein schiefes Schild verkündete: K ELLY ’ S H OTEL , woraus er schloß, daß es sich dabei um den Sitz des künftigen »netten Restaurants« handelte. Während er versonnen eigenartige Felsgebilde betrachtete, die aussahen wie aufgerichtete

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