Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
töten. Sie will es wiederfinden. Sie sagt, daß es ein wertvolles Tier ist. «
    »Ist das Ihr Ernst? Wer zahlt denn freiwillig – Haff! – gutes Geld für eine idiotische Spinne?«
    »LaVon vermutlich. Ich möchte Sie auch was fragen.« »Was?«
    »Man hat mir gesagt, daß ich Sie nach Ihrem Vater fragen soll – scheint, daß er ein richtiges Original der Gegend war. «
    »Das war er. Aber nicht direkt aus der Gegend. Haff! Ich bin nämlich nicht von hier, und mein Deddy war es auch nicht. Ich bin in Guymon geboren, Guymon in Oklahoma. Mein Deddy kam aus Struggle. Das ist auch in Oklahoma, westlich von Guymon. Geboren ist er in Arizona. Seine Leute sind in den dreckigen Dreißigern als Baumwollpflücker hingezogen. In Oklahoma gab es Farmer, die als Pächter in Custer County Baumwolle angepflanzt haben, nicht im Panhandle, aber der ganze Wirtschaftszweig ist kaputtgegangen, und sie sind als Baumwollpflücker nach Arizona gegangen. Haff! Damals sind siebenunddreißig von vierzig Familien aus dem OklahomaPanhandle ausgewandert. Da drüben war es noch schlimmer als hier in Texas. Aber mein Alter ist bekannt wie ein bunter Hund, in Texas und Oklahoma, sogar in Colorado und New Mexico. Haff! Haff! «
    »Was hat ihn so berühmt gemacht?«
    »Zum Teil seine vierzehn Ehen. Und alle vierzehn Ehefrauen sind ihm weggelaufen. Frauen konnte er nicht halten. Er konnte sie rumbekommen, aber halten konnte er sie nicht.«
    »Das gilt wahrscheinlich für eine Menge Leute«, sagte Bob.
    »Er hatte für jede einzelne ein paar Worte, wie ein eigenes kleines Lied. Er sagte zum Beispiel: ›Harriet war ein Sturm im tiefen Wasser, der mich alle meine – Haff! – Segel gekostet hat;Calvina war ein texanischer Maultierhändler; Josie war Jinglebobs und Blue Honey; der Rotschopf war das verlorene Paradies; das alte Pferd Brigitte gehörte in einen Pferch, aber meiner hat ihr nicht zugesagt; Jean war ganz heimelige Hausfrau; Lucy erinnerte mich an einen – Haff! – Kamelhintern; und die alte Susie war Mondschein und Whiskey auf einem weißen Felsen.< Das hat er immer so runtergerattert. Die alte Susie – Haff! –, das war meine Mama. Und der Schnaps war ihr Lebenselixier, bis sie religiös wurde und sich aufs Beten verlegt hat. Aber diese ganzen Frauen haben nicht mehr als drei plärrende Kinder in die Welt gesetzt, mich und meine Halbschwester, die wir immer >die Kleine, der die Haare ins Gesicht hängen< nannten, Kurzform >die Kleine<. Und meinen Bruder Hoit. Er war neun oder zehn, als er starb. Sollte unserem Deddy eine Heugabel aufs Feld bringen, und dabei fing er an zu rennen und die Heugabel in großen Abständen aufzusetzen, und die Heugabel verfing sich in einem Büschel Graswurzeln, und der Stiel rammte sich ihm in die Eingeweide, weil er so schnell lief. Hat ihm die Eingeweide zerrissen. Er ist innerlich verblutet, bevor Hilfe kommen konnte. Der Doktor hat gesagt, er hätte ihm nicht mal helfen können, wenn er mit allen seinen Instrumenten sofort zur Stelle gewesen wäre. Ach, Gott, wir waren ärmer als arm. Jetzt bin ich sechsundvierzig und warte noch immer auf mein erstes Fahrrad. Meine Schwester arbeitet in Vegas im Beerdigungsgewerbe. Als mein Deddy gestorben ist, haben sie ihn – Haff! – in Struggle begraben. Er liegt dort oben auf dem Friedhof mit den Glühbirnen – Haff! –, wo die Toten nach der Wattstärke der Glühbirnen am Grab eingestuft werden. Wissen Sie, was die alte Susie sich für ihn ausgedacht hat? Drei ausgebrannte Kühlschrankbirnchen. Sie hat gesagt, mehr hätte er nicht verdient. Haff! Haff! Haff! Das hat mir immer im Magen gelegen. Hab mir immer vorgenommen, daß ich mal raufgehe und größere Glühbirnen hinbringe. Hoit liegt auch da oben.«
    »Und wofür war Ihr Vater noch bekannt?«
    » Haff! Für seinen Schwanz. Damit hat er die ganzen Weiber rumgekriegt. Er hatte einen Prügel wie ein Hengst. Deshalb ist er so berühmt geworden. Wenn einer dachte, er hätte untenrum was zu bieten, kam er zu ihm und sagte: ›Hab gehört, du hättest einen großen Schwanz. Wette zehn Kröten, daß ich dich schlage.‹ Dann legten sie das Geld hin, und andere wetteten auch auf sie, und dann machten sie die Hose auf. Mein Deddy hat jedesmal gewonnen. Haff! Haushoch, jedesmal. Von Rechts wegen hätte ich davon was geerbt haben sollen, aber nicht die Spur. Völliger Durchschnitt. Haff! Finde ich nicht fair.«
    »Den Friedhof würde ich mir gern ansehen«, sagte Bob.
    »Na ja, um ganz ehrlich zu sein: Manche

Weitere Kostenlose Bücher