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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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waren. Die Nordostbrise war erfrischend, und die Leute seufzten vor Behagen. Das Publikum setzte sich, und die Parade hielt Einzug, Reihen von Pfadfindern und Kinder örtlicher Geschäftsleute in kitschigen Kostümierungen, die Reklamefähnchen schwenkten und auf Pferden saßen, die bis zum Gehtnichtmehr gestriegelt waren, die Hufe gewienert, daß sie glänzten, das Fell gebürstet, daß es schimmerte, die Mähnen zu raffinierten Zöpfen geflochten, die den Neid jedes afroamerikanischen Schönheitssalons erregt hätten. Der Ansager auf der hohen Kanzel war Warnell Pue, ein Old-Dog-Stammgast und alles andere als nüchtern; er riß Witze über die Clowns (in Frauenkleidern, die auf Oberschenkelhöhe abgeschnitten waren), verwechselte die Namen der Rodeoteilnehmer und die Programmpunkte. Die Wettkämpfer standen in Grüppchen mit ihren Ranchkollegen herum oder lehnten an der Arenabrüstungund betrachteten abwechselnd das Geschehen und den Himmel.
    »Zur Eröffnung Einreiten, Freistil, mit Sattel, der erste Reiter ist Dalton Booklung von der Dirty Socks Ranch in Clayton, New Mexico, der den weiten Weg extra für diese Veranstaltung gekommen ist. Was? Was? « Er beugte sich vor, um zu hören, was ihm jemand von unten zurief.
    »Okay, kleines Mißverständnis, nicht Dalton Booklung, sondern sein Bruder Raine Booklung, ebenfalls Dirty Socks, Raine Booklung auf Cap’n Crunch. Ein ganz fieser Zeitgenosse, Cap’n Crunch. Hat dieses Jahr schon einen Mann ins Krankenhaus gebracht, der jetzt auf Zimmer 101 und Zimmer 10 2 liegt.«
    Bob erkannte Raine Booklung wieder; es war der hemdlose Mann von dem Stand mit Stacheldrahtandenken. Sein langes Haar hing ihm bis über die Schulterblätter. Seine Arme glänzten feucht. Er stand auf der Brüstung der Box, während sein Bruder und seine Freunde ein wieselköpfiges Pferd hielten, ließ sich unversehens wie ein Sack Zement in den Sattel plumpsen, die Tür der Box wurde aufgerissen, das Pferd bockte und stieg, warf den Kopf nach unten und die Hufe in die Luft und Raine Booklung auf den Boden.
    »Nummer eins abgeworfen. Das hat sicher weh getan, Dalton, was?« rief der Ansager. »Kleines Mißverständnis, See-kunde, das Pferd war nicht Cap’n Crunch, sondern Devil’s Avocado, äh, nein, Devil’s Advocate . « Staub- und mistbesprenkelt humpelte der Cowboy zu seinen Freunden und einer stärkenden Flasche.
    Die bockenden Pferde blieben Sieger; sie bezwangen jeden einzelnen Cowboy inklusive Dalton Booklung, den der Ansager unter Applaus als »Doggone Booklung« vorstellte.
    Als nächstes stand Kälbereinfangen im Team auf dem Programm, und Bob war neugierig, weil er das noch nie gesehen hatte. Am anderen Ende der Arena trottete ein Trüppchen Kälber mit aufgemalten Nummern hin und her, während ein paarMänner im Vordergrund einen tragbaren Pferch aufbauten. Einer der Männer brachte auf dem Boden mit Kreide eine Linie an, und vier Cowboys der Banjo-B Ranch ritten in die Arena ein. Einer von ihnen, ein Mann mit rotem Wikingerschnurrbart, dessen Spitzen ihm bis auf die Brust reichten, ritt in die Kälberherde und begann, drei der Kälber von der Herde abzusondern und über den Kreidestrich zu treiben. Die anderen Männer versuchten die Kälber daran zu hindern, zur Herde zurückzulaufen, ohne daß sie selbst die Linie überquerten, doch ein kleines, wendiges Kalb brach aus und raste zu seiner Herde zurück, und bis der Schnurrbärtige es wieder aus der Herde weggetrieben hatte, waren auch die zwei anderen Kälber ausgerissen. Nur ein Kalb wurde eingefangen und in den Pferch getrieben. Eine Mutterkuh, die sich offenbar losgerissen hatte, erschien unerwartet in der Arena.
    »Nächstes Mal mehr Glück, Leute!« rief der Ansager. »Und jetzt Kälberfesseln im Zweierteam!« Die Kuh rannte auf und ab und muhte nach ihrem Kalb. Warnell Pue erhob die Stimme.
    »Eine ganz fiese alte Kuh, ein hinterhältiges Miststück, kriecht durchs Unkraut wie eine Schlange, brrr. Im Handumdrehen spießt sie einen auf die Hörner und ruiniert unser Rodeo. Aber jetzt zuerst Kälberfesseln im Zweierteam!«
    Protestgeschrei wurde laut, weil die vier nächsten Teams im Kälbereinfangen noch gar nicht angetreten waren, aber Warnell Pue ließ sich davon nicht beeinddrucken. »Okay, okay, nächstes Jahr mehr Glück, Leute«, rief er und kündigte wieder das Kälberfesseln an. Die Verwirrung war komplett, bis zwei der abgewiesenen Cowboys die Kanzel des Ansagers stürmten und Warnell wegtrugen. Advance Slauter

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