Mitten in Amerika
Preis von 2,50 Dollar pro Gedicht. Bob erstand den Vortrag des langen und komischen Gedichts »Wie man Zügel macht« aus Rope Butts eigener Feder, allerdings für fünf Dollar, weil das Gedicht, wie Rope Butt ihm erklärte, doppelt so lang war wie üblich und einige schlüpfrige Stellen enthielt, für die er normalerweise einen Sonderpreis verlangte. Als sein Vortrag Publikum anzuziehen begann, jagte Rope die Leute weg und sagte, es handele sich um eine Privatveranstaltung für einen zahlenden Kunden.
Nach dem Gedicht schaute Bob zwei schweißtriefenden Männern beim Armdrücken zu; der Champion war ein riesiger Ranchgehilfe aus Goodwell, Oklahoma, der bislang jeden Herausforderer bezwungen hatte. Die fleischigen Arme der Männer berührten einander mit saugenden Geräuschen. Applaus brandete von der Bühne herüber, wo Buckskin Bill, Vorsitzender der Jury, welche die Stacheldrahtkönigin zu küren hatte, verkündete, auf wen die Wahl gefallen war – Moxie Slauter, Advance Slauters älteste Tochter, eine Schönheit mit pfirsich- und sahnefarbener Haut und kastanienbraunen feuchtigkeitsbedingten Schnittlauchlocken. Bob bemerkte, daß sie Grübchen in Kinn und Wangen hatte und zu Recht gewählt worden war.
Um Viertel vor zwölf ging er in der flüssigen Hitze zum Rodeogelände am Nordende der Hauptstraße, einer Gegend der Stahl- und Holzgehege, die er als verlassenen, trostlosen Flekkenkannte, die Luft gelb im aufgewirbelten Staub. Doch jetzt summte es vor Diesel-Pickups und Viehtransportern, und frühe Zuschauer füllten bereits die Tribünen, Pferde und Stiere und Kälber die Viehpferche. Die Gewitterwolken dräuten schwerer, unter ihrer indigoblauen Masse dehnte sich flach die Prärie. Die Fahne über dem Eingang verkündete, daß das 68. Ranchrodeo von Woolybucket abgehalten wurde. Bauchladenverkäufer priesen Zuckerwatte und gekühlte Getränke an. Bob löste eine Eintrittskarte und suchte sich einen Sitzplatz am Rand einer Tribüne aus. In der ersten Reihe saßen acht Männer, in denen Bob Mönche des Triple-Cross-Klosters vermutete, weil sie allesamt Baumwollhosen und kurzärmelige Hemden trugen, während die laizistische Bevölkerung Woolybuckets Jeans und Cowboystiefel vorzog und Touristen sich durch Shorts und T-Shirt auszeichneten. Überall roch es nach Essen. Ein Truthahnbeinverkäufer streifte durch das Publikum und bot seine knusprige Ware an, gefolgt von dem Mann mit den Tacos, dem Barbecue-Rippchenverkäufer und der Dame mit dem Popcorn sowie dem mageren Jungen, der auf seinem mit Löchern versehenen Papptablett schwankende Kegel aus Zuckerwatte balancierte, in Bobs Augen die zweitabscheulichste Süßigkeit aller Zeiten, da der erste Platz dem Apfel in Zuckerglasur gebührte. Ihm war, als sehe er unter den Zuschauern die Krankenschwester mit der Backfischfrisur und den Grübchen, doch als die Frau sich umdrehte, merkte er, daß es nicht sie war. Vielleicht gab es eine Möglichkeit, sie wiederzusehen, wenn er sich im Klinikum mit den Chines traf. Hinter ihm sagte jemand: »Sieht verdammt nach Sturm aus. «
Die Innenwände der Arena und die Boxen waren mit Reklame für ortsansässige Geschäfte zugekleistert. Viele der Wettkämpfer ritten auf ihren scheuen Ranchpferden in der Arena auf und ab, um sie mit dem ungewohnten Ort und der Menschenmenge vertraut zu machen. Bruder Mesquite war darunter, auf seinem gescheckten Pferd Tic-Tac, gegen dessen wenigspirituellen Namen der Abt Vorbehalte gehabt hatte, doch Bruder Mesquite war mit Pferden dieses Namens aufgewachsen und beabsichtigte, ihn nie aussterben zu lassen.
Bob hatte schon viele Rodeos gesehen, doch noch nie ein Ranchrodeo. Er wußte, daß es eine besondere Veranstaltung war. Dem Programm hatte er entnommen, daß nur Cowboys aus der unmittelbaren Umgebung teilnehmen durften, die auf den Ranches arbeiteten. Professionelle Rodeoreiter hatten keinen Zutritt. Drei der klassischen Nummern fehlten – das Stierreiten, was Bob bedauerte, und das Hindernisrennen, was ihn freute. Neu für Bob waren Kälbereinfangen im Viererteam, Einreiten im alten Stil, Kälberfesseln im Zweierteam, Futter- sackhüpfen, Wettkuhtreiben und als letzte Disziplin Wildkuhmelken.
Punkt zwölf Uhr mittags begann das Rodeo, und Bob, der mitten unter Truthahnbeinmampfern und plärrenden Babys saß, erhob sich mit dem übrigen Publikum und nahm den Hut ab, als Rope Butt »Das Gebet des Cowboys« rezitierte. Blitze flackerten aus den Gewitterwolken, die nicht näher gerückt
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