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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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wunderschönen guten Morgen, Bob! Ein herrlicher Tag! Schauen Sie aus dem Fenster, und frohlocken Sie!«
    »Bruder Mesquite?« Bob beäugte seine Fußsohle und entfernte einen Teufelsdorn, der tief ins Fleisch gedrungen war. Wie war der bloß ins Haus gelangt?
    »Richtig. Ein herrlicher Tag. Noch ein bißchen frisch, aber es wird bald warm genug sein. Tut mir leid, daß wir uns gestern nicht sprechen konnten. Ich hätte gern gewußt, ob Sie heute unser Stacheldrahtfest besuchen?«
    »Ja. Ich habe LaVon versprochen, am Nachmittag eine Stunde lang Lose für die Quiltlotterie zu verkaufen.«
    »Gut. Ich werde Sie besuchen. Wann verteidigen Sie denn die Losbude? «
    »Von zwei bis drei. Aber ich gehe sicher schon am Vormittag hin und schaue mir alles an. Ich war noch nie auf einem Stacheldrahtfest.«
    »Das ist eine Schau. Woolybuckets glorreicher Tag. Lassen Sie sich das Rodeo nicht entgehen. Meine Wenigkeit tritt auch auf, mit dem Lasso. Zusammen mit Bruder Hesychast. «
    »Das lasse ich mir auf keinen Fall entgehen«, sagte Bob. »Wann fangen Sie an? «
    »Das Rodeo beginnt um zwölf. Ich freue mich darauf, Sie zu sehen, Bob. Ich muß mit Ihnen sprechen. Es geht um Ace Crouchs Projekt. Davon haben Sie doch schon gehört, oder?«
    »Ja«, sagte Bob, und er ließ ein wenig Bitterkeit in seinem Ton mitklingen, während er zum Fenster hinaussah und den leuchtenden Himmel betrachtete, der karmesinrot und golden gestreift war.
     
    Er duschte (nach den Katzenwäschen in der Arbeiterbaracke noch immer ein Luxus), und dann zog er erst Shorts und ein ärmelloses Hemd an, weil er annahm, daß es ein heißer Tag werden würde, doch als er sich im Spiegel sah, hatte er den Eindruck, nicht gerade typisch texanisch auszusehen. Ein Rodeo unter gleißender Sonne – zweifellos würden die Leute sich im Westernstil kleiden. Er zog Jeans und ein langärmeliges Hemd an und schlüpfte in die jungfräulichen Cowboystiefel, die laut Mr. Cluke ausschlaggebend für seinen Erfolg im Pan- handle waren. Vielleicht lag alles daran, an der falschen Fußbekleidung. Bob sah in den Spiegel und war mit dem Ergebnis recht zufrieden, bis ihm einfiel, was Onkel Tam von der Schießerei bei Global Pork erzählt hatte. Er wollte LaVon anrufen und sie unterrichten. Ausnahmsweise würde er sie mit einer Neuigkeit überraschen. Als er sie anrief, war die Leitung jedoch besetzt.
    Jaelene, die Maisgrütze umrührte, forderte ihn auf, sich zu setzen und zu frühstücken. Sie schenkte ihm Kaffee ein, brach zwei Eier in eine gebutterte Pfanne und streute Pfeffer darüber.
    »Mögen Sie Orangensaft, Bob?«
    »Einen Schluck. Kann ich Ihnen helfen?« Aus irgendeinem Grund wollte er Jaelene nichts von der Schießerei erzählen.
    »Klar. Sie können den Toast buttern, wenn er aus dem Toaster springt. Die meisten mögen entweder Maisgrütze oder Toast, aber mein Mann hat bei unserer Heirat darauf bestanden, beides zu kriegen, und seitdem ist es eine Art Traditiongeworden. Im Kühlschrank ist Marmelade. Butter steht hier.«
    Im Kühlschrank war endlos viel Marmelade. Die Shattles waren keine Kostverächter, was die süße Abteilung betraf, dachte Bob, als er Gelees, Konfitüren, Fruchtaufstriche und eine Mixtur namens Blueberry Tiger zutage förderte.
    Jaelene Shattle füllte die Kaffeetassen nach, ließ die Spiegeleier mitsamt ihrer Garnitur aus gebutterter Maisgrütze auf Teller gleiten und setzte sich Bob gegenüber an den Tisch. Wahrscheinlich saß er auf Mr. Shattles Stuhl, dachte er, während er sich Blueberry Tiger auf den Toast strich. Die eigenartige Mischung aus Chili, Bourbon und Blaubeeren überraschte ihn.
    »Wie geht es Mr. Shattle?« Er hätte gern gewußt, wer der Tote bei Global Pork Rind war.
    »Gut. Ich habe ihm nämlich von Ace’ Vorhaben erzählt und ihm gesagt, daß sie die Sauen weggebracht haben und nächste Woche den Gülleteich auspumpen und mit Erde auffüllen, und der arme Mann ist richtiggehend zusammengebrochen und hat geweint. Er war völlig mit den Nerven fertig. Er hat gesagt: ›Sag Ace, daß ich so viele Büffel kaufe, wie ich mir leisten kann.‹ Ich bin mir nicht sicher, ob er weiß, wieviel die kosten. Sind schließlich keine Kühe! Er kommt nach Hause, sobald der Auffangteich ausgeleert ist und die Luft sich erholt hat.«
     
    Draußen war die Luft lauwarm und der Himmel so unschuldig wie ein Blatt blaues Papier. Als Bob auf einer Straße von der Farbe zerstoßener Mandeln nach Woolybucket fuhr, merkte er, wie wohl er sich mit

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