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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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wer ihr seid, und ich habe euch schon gemeldet, macht also keinen Unsinn.« Angewidert sah er, daß Tully seine Uniform trug. Er legte ihnen ihre eigenen Handschellen an, nahm ihnen die Waffen ab und warf sie in den offenen Kofferraum.
    »Komm schon, Hugh, laß uns darüber reden.« Der Sprecher war Deputy Waldemar, ein muskelbepackter Bodybuilder mit einem Hollywoodprofil und überkronten Zähnen.
    »Nix zu machen. Ihr könnt euch ruhig hinsetzen. Ihr gottverdammten Idioten habt euch auf frischer Tat bei dem dümmsten Scheiß erwischen lassen, der mir seit Jahren untergekommen ist. Das war wohl für euer bescheuertes Barbecue gedacht?«
    »Komm schon, Hugh. Haben wir schließlich für das allgemeine Wohl getan. Alle kommen zu unserem Barbecue«, bettelte Harry Howdiboy, Sheriff Doughs Vorstellung von einer Nacktschnecke, die in menschlicher Form reinkarniert war. Tja, den würde er in Salz tunken.
    »Habt ihr nicht für das allgemeine Wohl getan, sondern zur persönlichen Bereicherung und zum eigenen Vorteil, und außerdem ist es illegal, egal, wie man’s nennt. Was ihr getan habt, ist durch und durch unrecht und wird es bleiben, bis die Trompete zum Jüngsten Gericht bläst. Ich kann euch nur empfehlen, euch hinzusetzen und die Klappe zu halten. Ich bin ungeheuer schlecht drauf, und die geringste Bewegung oder Meinungsäußerung könnte mich dazu bringen zu denken, daß ihr euch der Verhaftung widersetzen und fliehen wollt. Und wenn ich mit euch fertig wäre, würde man nichts mehr erkennen außer den verschissenen Handschellen.«
    Im Dezember desselben Jahres wurde ihm der Texas Peace Prize zugesprochen, der jedes Jahr in Dallas im Hotel Stockholm verliehen wird. Auf dem Flug von Amarillo nach Dallas hatte er einen Fensterplatz und verbrachte die Zeit damit, dieNieten im Tragflügel zu zählen. Außer den Nieten gab es fünf kleine Öffnungen in Form eines L, als hätte jemand mit weißer Farbe die Ecke einer Werkzeugkiste umrissen. Dann fielen ihm weiße Tropfen auf der Tragfläche auf – haufenweise, als hätte jemand einen Pinsel voller Farbe darüber ausgeschüttelt. Es waren zu viele, als daß er sie zählen konnte. Während der Preisverleihung zählte er die Fransen am Saum des Tuchs, das den Tisch mit den Preisen bedeckte. Das große Foto, das ihn mit dem Pokal und dem Preisgeld von fünfzig Dollar zeigte, hing in seinem Büro neben dem Porträt seiner Großmutter mit ihrem römischen Gladiatorenkopfschmuck.

7. Das ländliche Kompendium
    E r blieb drei Tage in The Hoss Barn und studierte die örtlichen Annoncen, kehrte in das Lokal Mexicali Rose zurück, um paniertes Steak zu essen (die immer gleiche Tagesspezialität), erkundigte sich bei Kellnerinnen und Verkäufern nach Möglichkeiten, ein Zimmer zu mieten, und las beim Fahren die Aufkleber an den Autos:
     
    M EIN S OHN IST E HRENINSASSE IN M C A LESTER
 B RATWURSTLIEBHABER HUPEN
 J ESUS IST UNSER BESTER F REUND
 W ORT FÜR G ESTANK MIT ZWÖLF B UCHSTABEN –
 S CHWEINEFARM
     
    Er zählte die Kirchen: die Kirche der Urbaptisten, die Baptistenkirche der Neuen Erleuchteten, die Baptistenkirche vom Sonnenaufgang, die Baptistenkirche des Seligen Lehmklumpens, die Kirche der Ersten Baptisten, die Kirche der Bibeltreuen Baptisten, die Kirche des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, die Freiwillige Baptistengemeinde, die Tabernakel-Baptisten-Kirche, die Baptistische Bruderschaftskirche, die Kirche der Wahren Christen, die Kirche der Aufrechten Christen, die Erste Kirche Gottes, die Kirche des Volkes der Steppen, die Kirche des Wortes Gottes, die Halle des Königreichs der Zeugen Jehovas, die Kirche des Pfingstwunders, die Lutherisch-Synodale MissouriKirche von Bethlehem, die Kirche der Gemeinde Gottes, die Kirche der Ersten Vereinigten Methodisten, die Kirche der Herrnhuter Brüdergemeine, die Kirche der Heiligen der Letzten Tage und, am äußersten Rand der Ortschaft in der Nähe vereinzelterverkommener Hütten, die Katholische Kirche vom Deckgestein der Unbefleckten Empfängnis, ein winziges Gebäude, kaum größer als die Räucherkammer, aus der es entstanden war. Auf fünf Einwohner schien eine Kirche zu kommen. Aber Häuser oder Wohnungen gab es nicht zu mieten. Jedermann hatte ein Zuhause und befand sich dort. Der Manager von The Hoss Barn, Gerald Popcorn, letztlich vielleicht doch kein ehemaliger Sträfling, dachte Bob Dollar, bot ihm einen Dauerpreis von zehn Dollar pro Nacht an, allerdings verbunden mit dem Umzug in ein kleineres Zimmer.

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