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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Rose an der Route 444, die von Tyrone, Oklahoma, nach Pampa, Texas, verlief. Es lag nördlich vom Canadian River. Er rief die Telefonnummer an, und eine dünne, aber kräftige Frauenstimme sagte, das Objekt sei eine alte Arbeiterbaracke auf dem Grundstück der Busted Star Ranch, ohne Strom und ohne fließendes Wasser, aber in prima Zustand und für nur fünfzig Dollar im Monat. Trinker unerwünscht, Raucher dito, kein Frauenbesuch, keine Drogen. Er sagte, er würde gerne einen Blick darauf werfen, und dachte, das könnte die Chance sein, auf die er gewartet hatte.
    Der Wind hatte sich gelegt; er hinterließ einen leergefegten mittelblauen Himmel. Am Rand von Woolybucket verkündete ein Schild: H IER IST ES AM SCHÖNSTEN AUF DER W ELT . Einkleineres und fast völlig verblaßtes Schild dahinter war so gut wie unleserlich bis auf die finsteren Worte: »… bis Sonnenuntergang die Stadt zu verlassen.« Woolybucket war der Behördensitz von Woolybucket County. Sieben Kies- und Calichewege, die gegen 1890 entstanden waren, indem das Vieh von abgelegenen Ranches zum Bahnhof getrieben wurde, trafen aufeinander, von jedem Punkt des Kompasses ausgehend. Keine Ampel der Welt wäre imstande gewesen, die komplizierte Kreuzung mit neun Abzweigungen zu regeln, die dem Prinzip »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst« gehorchte. Die Bahnlinie durchschnitt die Hauptstraße. Es gab einen weißen Wasserturm, auf den ein Spaßvogel die Buchstaben H 2 O gemalt hatte. Dahinter sah man fünf oder sechs Silos, vor denen ein Dutzend Pickups standen. Bob nahm an, daß das der Treffpunkt der Farmer war.
    Im Zentrum von Woolybucket gab es einen kleinen bräunlichen Rasen, der sich wie ein Tutu aus Gras um ein bräunliches Backsteinbauwerk, das Gerichtsgebäude, legte; ein bräunlicher Fußweg führte zu einem Vordach auf Säulen, unter dem ein Schild mit aufgemaltem Pfeil Besuchern den Weg zum Sheriffsbüro wies. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sah Bob die übliche Reihe kleiner Geschäfte – einen Schreibwaren- und Geschenkeladen, ein leeres Schaufenster, das Old Dog Café, eine Anwaltskanzlei mit der Aufschrift F. B. W EICKS RA in abblätternden Goldbuchstaben, die Lone-Star-Billardhalle, Bludgetts Apotheke, den Speedwell-Markt, die Bank von Woolybucket, das Schaufenster der Zeitung The Banner , von weniger optimistischen Zeitgenossen, wie er bald herausfand, The Bummer genannt. Durch die Schaufensterscheibe des Old Dog sah er, daß es dort von Gästen mit Cowboyhüten wimmelte, und auch auf der Straße, besonders vor Clip’s News & Video, lehnten junge Männer und halbwüchsige Mädchen an Ladenschaufenstern, an städtischen Mülleimern, an den Säulen des Vordachs vor dem Gericht und bildeten Grüppchen um dieStoßstangen der Pickups. Die Stadt machte einen vitalen und belebten Eindruck.
    Die neueren Läden, die sich bemühten, Woolybucket das Flair einer modernen Kommune zu verleihen, lagen links und rechts neben dem Gerichtsgebäude. Hier befand sich eine Episkopalkirche in Form einer Kuchenschnitte, das Caribe Motel mit einem Swimmingpool in Badewannengröße mitten auf dem Parkplatz, ein thailändisch-mexikanisches Restaurant, Woolybuckets Mobiltelefonladen und ein Fitneßcenter namens Gym Bob’s. Bob kaufte sich sechs Doughnuts in Cousin Dougie’s Donut Shop. Ein Plakat im Fenster verkündete: W IR FÜHREN L ATE , woraus er schloß, daß dies die ortsübliche Schreibweise des Wortes »Latte« war.
    Das Postamt befand sich zwei Straßen hinter dem Gericht, ein Gebäude mit Scheinfassade im Schatten einer kleinen Pappel. Auf Bänken mit Leistenrücklehnen saßen vier alte Männer, ledrig, faltig, hager, mit mageren Hälsen, die alle vier das rechte über das linke Bein gelegt hatten. Die hochgerutschten Hosenbeine enthüllten vier weiße Unterschenkel schräg nebeneinander. Sie rauchten Zigaretten, an denen die Asche gleich lang war, und drehten unisono die Köpfe, um dem Verkehr zuzusehen. Bob Dollar verzeichnete erfreut das Vorhandensein so vieler alter Männer und malte sich aus, daß sie alle Besitzer riesiger Ländereien waren.
    Ein weiterer alter Mann stand vor dem Postamt; er trug Chinks, einen Cowboyhut und gepunzte lederne Armstulpen, erklärte ihm den Weg zur Busted Star Ranch, deren Besitzerin, wie er sagte, LaVon Grace Fronk war, und wies ihn darauf hin, daß er die geteerte Fahrbahn besser nicht verlasse, weil sie den verdammten Straßenrand gerade erst mit dem Traktor gemäht hatten und die Stoppeln jetzt so spitz

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