Mitten in Amerika
waren wie angespitzte Bambusstäbe in den Fallen des Vietcong. Er stieg auf ein graues Pferd, grüßte Bob Dollar mit einer Handbewegung und ritt davon. Das Pferd lahmte.
»Kommen Sie rein«, rief die Frau melodisch und winkte ihn in das Schummerlicht des Hauses. Ihre Stimme war sowohl rauh als auch ölig, wie grobgemahlene Erdnußbutter. »Hätten Sie wohl lieber ein Glas Wasser oder Pepsi?« LaVon Fronk, klein und schmal wie eine Schülerin, war eine Rancherswitwe mittleren Alters und ähnelte mit ihrem ausdrucksvollen, nervösen Gesicht, dem kleinen Mund, der kaum breiter war als die Nase, den eng beieinanderliegenden Augen unter der eckigen Stirn und dem Haar, das blaßrot und weiß gesträhnt war, einem der kleineren römischen Imperatoren.
»Etwas Wasser wäre wunderbar«, sagte er, die Kehle vor Durst ausgedörrt. Sie machte sich damit zu schaffen, das Glas zu holen, es auszuspülen, Eiswürfel hineinzugeben, eine Kanne Eiswasser aus dem Kühlschrank zu holen, eine Zitrone in Scheiben zu schneiden und eine Scheibe auf den Rand des Glases zu stecken. Das Haus kam ihm sehr warm vor.
»So! Kaltes Wasser ist einfach nicht zu schlagen, nicht wahr? Ich bin eine geborene Harshberger aus Miami« – sie sprach es »Miama« aus –, »Miami, Texas, natürlich, nicht Florida. Jase Fronk habe ich 1951 geheiratet, aber er ist schon eine Weile tot – na ja, das genügt wohl.«
»Woolybucket ist ein komischer Name«, sagte Bob. »Ist der Ort nach jemandem benannt, der so hieß?«
»Nach dem Woolybucket-Baum, einer Bumelie. Wuchs hier früher offenbar in großen Mengen. Vögel mögen WoolybucketBumelien. Im Frühjahr sind die Blätter auf der Unterseite ganz pelzig, bevor sie sich entrollen, daher kommt der Name. Cowboy Rose heißt so nach einer Blume. Bechermalve. Das ist ihr anderer Name. Aber so kann man hier keine Stadt nennen. Nicht im trockenen Woolybucket County. «
Während Bob sein Wasser trank, fiel ihm auf, daß die Küche von Nippes strotzte. LaVon erklärte ihm, daß es sich um eine Kücheneinrichtung in ländlich-französischem Stil handele, obwohl er den Eindruck hatte, daß ländlich-texanisch zutreffendergewesen wäre für den sauberen weißen Linoleumboden, den weißen Formicatisch mit verchromten Beinen nebst passenden Stühlen, den Kalender an der Wand neben dem Jesusbild aus Makkaroni und Samenkörnern und den betagten und grellweißen Küchengeräten an den Wänden. Die Geschirrtücher mit dem Aufdruck B ONJOUR schmückte der Eiffelturm. Auf der Anrichte standen Steingutgefäße mit der Beschriftung C AFÉ , S UCRE , F ARINE . Ein Poster von Brassaïs Treppe von Montmartre hing über einem Weinregal, in dem keine Weinflaschen lagen, sondern Whiskeyflaschen, was Bob für ein gutes Zeichen hielt. Sie zeigte ihm alle möglichen Dinge, die sie über Mail-Order-Kataloge bestellt hatte – eine Wärmflaschenhülle aus Leder, eine marokkanische Öllampe. Über dem Katzenkorb – es gab einen schwerfälligen gefleckten Kater mit lädiertem Bein, nur einem Ohr und einem halben Schwanz, Folge einer Begegnung mit dem Rasenmäher – erklärte ein blaues Emailleschild C HAT L UNATIQUE . Chat mort wäre zutreffender gewesen, denn das schläfrige Tier lag stundenlang da wie tot und regte sich nur, wenn die Kühlschranktür geöffnet wurde oder wenn der schlaksige Nachbarssohn den Rasenmäher in Betrieb setzte.
Als er sein Wasser getrunken hatte, sagte sie: »Gut, sehen wir uns die Baracke an.«
»Hier ist es«, sagte sie, als sie ihn durch welliges Gelände und über ein verdrießliches Bächlein zu einem Pappelgehölz fuhr. Hinter dem Stacheldraht befand sich ein zweiter Zaun aus alten Reifen, die dreifach gestaffelt überlappend aufgestellt waren. Unter den Pappeln lag ein kleines Blockhaus mit Veranda. Um den Verandaboden herum war ein Seil gespannt, und LaVon erklärte, daß es dazu diene, Schlangen von der Baracke fernzuhalten. Im Inneren gab es vier leere Schlafkojen, auf jeder eine zusammengelegte dünne Matratze, einen Stapel Decken, vier Holzstühle an einem quadratischen Tisch. Es gab einen winzigen Herd mit einem geschwärzten Kesseldarauf und an der Wand einen Kasten mit Feuerholz und Spänen.
»Spartanisch«, sagte sie. »Strom gibt es keinen. Laken und Handtücher müssen Sie selber besorgen. Wasser auch. Sie können es in der Küche abzapfen.«
»Ich nehme es«, sagte er, ohne sich ernsthaft zu überlegen, was es hieß, jeden Tag über die Kuhweide zu fahren, das Wasser herzuschleppen, kein
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