Mitten in Amerika
Scheißkerl mit Fenstern vor den Augen würde anfangen, Steine nach dir zu schmeißen? Scheint, als müßte ich dir Manieren beibringen.« Und er kettete den Kleinen mit Handschellen an einen Fahrradständer vor dem Gericht, nahm ihm die Brille ab, setzte sie sich selbst auf, kniff die Augen zusammen und sagte: »Jetzt tun wir so, als wäre ich du und du der arme Hund«, hob einen kleinen Stein auf und warf ihn. Der Stein traf den Jungen am Oberarm und löste ein Geschrei und Geheul aus, das Zuschauer an die Fenster lockte. Noch ein paar Steine, und der Junge brüllte wie am Spieß.
»Muß dich offenbar einsperren, bis du Ruhe gibst«, sagte der Sheriff und zerrte das brüllende Kind ins Gefängnis, wo er es in eine Zelle beförderte. Natürlich mußte er später dafür bezahlen, denn mit dem Staatsanwalt war nicht zu spaßen.
»Der Scheißkerl macht mir die Hölle heiß«, sagte der Sheriff am Telefon zu seiner Schwester Opal.
»Aber du hattest deine Genugtuung«, sagte sie, und im Panhandle-Gebiet hatte das keinen geringen Stellenwert.
Die vielleicht unangenehmste seiner Pflichten neben dem Überprüfen von Meldungen alter Damen, die Fremde auf dem Highway gesichtet hatten, war die, den Dauerkrieg zwischen Advance Slauter und Francis Scott Keister, zwei Ranchern mit gegensätzlichen Persönlichkeiten, Vorstellungen und Methoden, nicht aus dem Ruder laufen zu lassen. Sheriff Hugh Dough verblüffte ihr mangelnder Verwandtschaftssinn, denn vor Generationen, als beide Clans in Arkansas lebten, hatten die Slauters und die Keisters sich vermischt. Der alte Daniel Slauter hatte 1833 Zubie Keister geheiratet, und obwohl sie nur die erste seiner fünf Ehefrauen war, gebar sie ihm fünf derzweiunddreißig Kinder, die gezeugt zu haben er sich brüstete, und ein auffallender Keister-Einschlag – langer Hals mit Faltenringen, Schatten um die Augen, dünne Finger und schlechte Zähne – machte sich von da an in den Slauter-Genen bemerkbar. Später verdarben weitere Slauter-Keister-Kreuzungen das Erbgut noch mehr.
Advance Slauter und Francis Scott Keister waren Intimfeinde seit der Grundschule (von Nostalgikern sarkastisch »Cowboy-College« genannt), als Keister, Produkt inbrünstiger religiöser Erziehung, Kader in der Landjugend-Bildungsgruppe und Mitglied der Jugendorganisation der Texas Rangers, zufällig hörte, wie Advance Slauter, muskelbepackter Tölpel der Extraklasse, sagte, daß er seine beiden jüngeren Schwestern zu vögeln pflege und jeder, der dabei zusehen wolle, sich um sechs Uhr morgens mit einem Vierteldollar in der Hand auf der Ranch einfinden könne und an Ads Fenster klopfen solle. Hugh Dough hatte wissend in sich hinein- gegrinst und später seine eigenen Vorstellungen von Hausaufgaben verwirklicht, aber Francis Scott Keister war als Verfechter jungmädchenhafter Reinheit empört. Es kam zu einer wüsten Prügelei, die der Schulleiter beendete. Beide Jungen weigerten sich, den Grund für ihren Streit zu nennen. Ad Slauter war tatsächlich völlig ahnungslos. So begann die Fehde, die seit mehr als dreißig Jahren währte und deren Kombattanten abwechselnd im Büro des Sheriffs erschienen, um die letzte Gemeinheit des Gegners zu melden. Sheriff Hugh Dough hörte sich die Beschwerden an und machte Notizen, die er in den zwei umfangreichen Ordnern mit den immer ausgeklügelteren Untaten der beiden ablegte. Anfangs handelte es sich meist um Steinwürfe und Beleidigungen, doch als beide im HighSchool-Alter mit alten Schrottkisten herumgurkten, kam es dazu, daß Farbeimer geworfen, Reifen zerstochen und Windschutzscheiben eingeschlagen wurden. Als Francis Scott Keister mit seinem Verband nach Wichita Falls zur Landwirtschaftsausstellungfuhr, kaufte er dort einen Autoaufkleber mit der Aussage Ich bin ein Stück Scheisse und brachte ihn am Fond von Slauters Wagen an. Ad Slauter erwiderte die Aufmerksamkeit, indem er während des Familienausflugs nach Padre Island im dortigen Laden für Schiffszubehör drei Sprühdosen Abdichtungsschaum stahl, mit dem er den Motorraum von Keisters fahrbarem Untersatz ausfüllte. Er bestellte auf Keisters Namen schwule Pornohefte (»per Nachnahme«). Keister setzte auf Slauters Fensterbrett Giftspinnen aus. Slauter schüttete siebzig Liter Altöl auf Keisters Vorderveranda.
Als Erwachsene betrieben sowohl Francis Scott Keister als auch Advance Slauter Kuh- und Kälberzucht, doch außer dem Umstand, daß die Kühe beider Züchter Säugetiere waren, gab es wenig Gemeinsamkeiten
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