Mitten in Amerika
Geräteschuppen und die Werkstatt. Zeig ihm den Windradwagen. Verdammt noch mal, zeig ihm alles. Vielleicht haben wir diesmal Glück.«
In den nächsten Wochen besserte Slikes Laune sich zusehends. Habakuk van Melkebeek war ein findiger Windradmonteur, einfallsreich und kundig, wenngleich ein wenig verschroben. Er war groß, aber dennoch geschmeidig und so gewandt wie eine Sprungfeder. In der Baracke war es zu ein paar handfesten Scherzen gekommen, zu Bemerkungen über seinen komischen Akzent, Vermutungen, daß »Holländer« gleichbedeutend sei mit »Deutscher«, und Neid, weil er fast doppelt soviel Lohn wie ein Kuhhirte erhielt, doch der Humor der Scherzbolde ließ merklich nach, als der große Mann sich mit eigenen Scherzen revanchierte, den anderen Windradschmiere in die Stiefel strich, während sie schliefen, und mit seiner sanften Stimme sagte: »Ich gehe weg, dürfen ihr euch kümmern um die Windräder. Ihr seid nett zu mir, ich bleibe und mache es. « Und schnell genug merkte jeder, daß der Holländer mit seinen Storchenbeinen ein wenig verrückt, aber unersetzlich und seine fünfundsiebzig Dollar im Monat wert war. Aus der Ferne konnten Reiter oft seine hagere Gestalt auf einem altersschwachen Windrad balancieren oder seinen klapprigen Wagen über eine Weide holpern sehen, und dann dankten sie Gott, daß sie berittene Cowboys und keine Windradhampelmänner waren.
Nach Rope Butts Führung blieb Habakuk sich selbst überlassen; weil es viel zu tun gab und die Entfernungen groß waren,schlief er oft draußen auf der Prärie, statt in die Baracke zurückzukommen. Die Windräder waren nach Lage oder nach Vorfällen benannt – Schrecklicher Schwede auf der Weide im Canyon, Rote Mühle (nach einem benachbarten Flecken Boden), Kurze Finger, weil dort ein Bohrarbeiter seine Hand verstümmelt hatte, Verdammtes Pech an der Stelle, wo ein Unglücksrabe von der Plattform gestürzt war. Doch Habakuk malte Ziffern auf Wassertank und Windfahne jedes Windrads und widmete jedem einzelnen mehrere Seiten in seinem Verzeichnis.
Die Windräder der Cutaway Ranch krankten an jedem nur denkbaren Leiden: lecke Wassertanks, abgenutzte Leder, gebrochenes Pumpengestänge (bei vielen waren die Kupfernieten durch krumme Nägel ersetzt), gerissene Anschlagseile, fehlende Rotorblätter, Abdeckhauben mit Einschußlöchern als unerwünschten Belüftungsschlitzen, Generatorverkleidungen, die danach lechzten, geölt zu werden, schlammverstopfte Leitungen, abgenutzte Gewindebolzen, verschlissene Dichtungsscheiben, Ringe und Lager, geborstene Drehkränze, gerissene und im Mastrohr verfangene Ketten, Krähennester auf mehreren stillstehenden Windrädern, die stillstanden, weil die Erschütterung durch den Rotor einige der von den Vögeln zusammengetragenen Schätze – Murmeln, Bolzen, Knochen, glänzende Kiesel – aus dem Nest in die Wassersäule befördert hatte, wo sie den Zylinder beschädigt hatten. Um einige Windräder herum hatten sich Ulmen, Pappeln und Weiden angesiedelt; zum Teufel mit dem Schatten, sagte Habakuk, sie mußten weg, damit ihre Wurzeln den Wasserzugang nicht verstopften, zuwucherten, erstickten. Und viele Windräder waren die alten Eklipse-Modelle mit Holzturm und weichen Weißmetallagern, die wöchentlich geschmiert werden mußten und jahrelang das größte Schreckgespenst für jeden Cowboy auf der Ranch waren. Diese Windräder, erklärte Habakuk Slike, gehörten durch Metallgerüste ersetzt, wo Mastkopf und Gondel durch einenDrehkranz verbunden waren und die Gondel von einem Metallgehäuse umschlossen war und nur alle Jubeljahre einmal geölt werden mußte. Doch Slike sagte, sie hätten sich mit den Eklipses abzufinden und dürften jede einzelne davon erst dann ersetzen, wenn sie »nicht mal mehr den mickrigsten Mucks« hervorbringe.
Am Ende der Besichtigung sagte Habakuk zu Slike, daß es auf der Ranch genug Arbeit für zehn Windradmonteure auf fünfzig Jahre hinaus gebe und daß er diese Arbeit nicht allein tun könne, vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß er die Weißmetallager in den Eklipse-Windrädern austauschen mußte. Von jedem Windrad mußte er die große Welle und den schweren Rotor abmontieren – eine Arbeit, die man nur zu zweit verrichten konnte –, dann das alte Weißmetallager her- ausschmelzen und neues Metall hineingießen. Er brauchte einen Helfer oder sogar zwei. Slike nickte und sagte, er werde ihm jemanden besorgen; er dachte dabei an Rope Butt, doch Rope, der damals achtundzwanzig
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