Mitten in Amerika
schon alt und überhaupt nicht auf das Rancherleben erpicht; er wollte in De Kalb, Illinois, bleiben und seine Ruhe haben. Aber Sanborn hat er mit Stacheldrahtgeld unterstützt. Mit dem Stacheldraht hat er ein Vermögen gemacht. Und Sanborn gefiel es hier, und er blieb hier. Sagte den anderen gern, wo es langgeht, war nicht besonders beliebt in der Gegend. Öffentliche Aufträge waren seine Spezialität, aber beliebter wurde er dadurch nicht gerade. Er hat Amarillo auf die Beine gestellt. Drüben an der Wand ist ein Stück Stacheldraht von der XIT. Ich habe es selber gefunden. Eine ganze Rolle, bei einer Versteigerung.«
Unvermittelt döste der alte Mann ein, und das Foto fiel ihm aus der Hand. Bob hob es auf, und nach ein paar Minuten sagte LaVon: »Das war’s. Gehen wir. «
Doch als sie zur Tür hinausgingen, hob der alte Mann den Kopf und krächzte: »Hat sie Ihnen erzählt, wie ihr Großpapa an die ganzen Striemen auf seinem Rücken gekommen ist?«
»Bisher nicht«, sagte Bob.
»Kommen Sie schon«, sagte LaVon und gab ihm einen Schubs in den Steiß.
»Augenblick. Ich zeige Ihnen was«, sagte der alte Mann und mühte sich aus seinem Rollstuhl hoch. Er kam zur Tür, wo sie standen, zupfte Bob am Ärmel und deutete auf eine kleine runde Scheibe, die mit einer Schraube an der Wand befestigt war. Draußen pfiff der Wind. Tater Crouch schob die Scheibe mit einem Finger zur Seite.
»Sehen Sie das Loch?«
»Ja – ja, Sir.«
»Das ist ein Brechstangenloch. Wenn der Wind zu blasen anfängt, stecken Sie Ihre Brechstange durch und warten eine Minute, und dann holen Sie sie wieder rein. Wenn die Stange verbogen ist, dann ist es gefährlich, nach draußen zu gehen.« Er lachte, das dünne Keuchen eines alten Mannes.
»Kommen Sie«, sagte LaVon.
Auf dem Weg zum Wagen bemerkte Bob zu LaVon, wie traurig und ergreifend Fannys Geschichte sei. Sie schnaubte verächtlich.
»Soviel Scheiße, wie der uns erzählt hat, geht auf keine Kuhhaut. Zufällig war Sal Ahrn kerngesund und munter, als ich ein kleines Mädchen war. Sie war die Frau von Darwin Lawson. Von dieser Geschichte mit Fanny und seinem Halstuch habe ich nie ein Wort gehört. Ich werde mich damit befassen.«
»Ich wünschte, Sie würden sich damit befassen, mir die Geschichte von dem Foto von Mr. Harshbergers Rücken zu erzählen.«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte LaVon.
Als sie an der alten Baracke vorbeikamen, kurbelte Bob sein Fenster herunter, um eine bessere Sicht zu haben, und bereute es sofort, denn der Wind hatte sich gedreht und trug eine volle Ladung Schweinefarmduft heran, einen überwältigenden fauligenGestank wie von zehntausend stinkenden Socken, verwesendem Fleisch, abgestandenem Urin und Sumpfgas, von saurem Erbrochenen und von Jauche, einen so ungeheuerlichen, greifbaren Gestank, daß Bob würgen mußte.
»Kommen Sie bloß nicht auf die Idee, meinen Wagen vollzuspucken, Bob Dollar«, sagte LaVon und trat auf die Bremse. »Fahren Sie!« krächzte Bob. »Bloß weg hier!«
Einige Tage später, als Bob Wasser holen kam, sagte LaVon: »Ich habe inzwischen die Muddy-Fan-Geschichte überprüft. Ich war auf dem Baptistenfriedhof und habe den Grabstein von Sarah Ahrn Lawson besichtigt; sie ist 1962 im Alter von neunundvierzig Jahren gestorben. Geboren ist sie 1913. Und auf dem Totenacker der Bar Owl habe ich den Stein eines Fanny Wallace Meers gefunden, 1904 bis 1920. Dann war ich im Altersheim und habe mich mit alten Männern und Frauen unterhalten, und ein paar haben sich an Sal Ahrn erinnert. Ein paar der Männer konnten sich an Muddy Fan erinnern, vor allem Gardaman Purt, Vivians Bruder, den wir Gardie nannten; er hat gesagt, der Junge wäre der geborene Reiter gewesen. Dann war ich in der Bibliothek in Cowboy Rose und habe die alten Ausgaben von Cowboy Rose Yippee durchgesehen, und da stand nichts drin von einem Fieber, aber dafür habe ich eine kleine Meldung gefunden, daß ein Bar-Owl-Cowboy bei einem ›Unglück‹ umkam. Als Name war Fane Wallace Moors angegeben. ›Unglück‹ konnte alles mögliche bedeuten, von einem Erstickungsanfall bis zu einer Kugel. Er war seit zehn Jahren tot, als Taters berühmtes Überraschungspicknick stattfand.«
Langes Schweigen. Das Telefon läutete.
»Oh, hallo, Tater. Wir sprachen gerade von Ihnen. Ja? Ja, das habe ich herausgefunden.«
Er konnte die Stimme des alten Mannes aus dem Hörer knarren hören.
»Was Sie nicht sagen. Tja, Tater, ich danke Ihnen für den Anruf. Es ist gut, alles so genau
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