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Mitten in Amerika

Mitten in Amerika

Titel: Mitten in Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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war und sich für den geborenen texanischen Viehhirten hielt, meckerte.
    »Habakuk finde ich in Ordnung«, sagte er, »aber ein Windradjockey will ich deshalb trotzdem nicht sein. Da mache ich nicht mit. Lieber gehe ich. Warum nimmst du nicht den Kleinen, der gestern nacht aufgekreuzt ist? «
     
    Ein hochaufgeschossener Junge hatte sich nach Arbeit erkundigt; Slikes erster Impuls war gewesen, ihn nach Hause zu seiner Mama zurückzuschicken, und das hatte er auch getan, hatte ihm mit seiner lauten, näselnden Stimme schroff verkündet, er solle machen, daß er fortkomme, doch bei näherer Überlegung konnte es durchaus sein, daß der Junge sich vielleicht für die Arbeit an den Windrädern eignete. Er hatte zwar nicht genug Fleisch auf den Knochen, um Habakuk eine Hilfe zu sein, aber das ließ sich ändern. Er war mager, aber wahrscheinlich zäh wie die meisten Rancherkinder.
    »Was meinst du, wie alt er ist? Ist er noch da?«
    »Fünfzehn, würde ich sagen, höchstens sechzehn. Nein, er ist gegangen, als du ihm gesagt hast, daß er verschwinden soll. Aber ich kann mir schon denken, wo er steckt. Ist sicher nach Hause gegangen. Er gehört zu der Crouch-Familie hinter der Twenty Mile Ranch an der Coppedge Road. Ziemlich einsam da draußen. Großes altes Steinhaus und Unkraut, soviel man will. Er hat noch ein paar Brüder und Schwestern.«
    »Okay. Reite morgen früh hin und sieh zu, daß du ihn mitbringst. Wie heißt der gnädige Herr?«
    Rope Butt sagte: »Heißt Ace. Ace Crouch. Ein netter Junge.« »Wenn er mit Milkbeak die Windräder in Schuß hält, ist er für meinen Bedarf nett genug.«
    Um diese Zeit herum hatte Rope Butt sein erstes Cowboy- Gedicht geschrieben, zwölf Zeilen, die zu komponieren ihn vier Stunden gekostet hatte. Es war in sein Gedächtnis eingebrannt.
     
    Wie ich neulich die Schlucht runterritt
 Lag dort unten ein Kuhschädel im Splitt
 Aber leider war der Schädel kaputt
    Was man nicht so gern einsammeln tut
 Aber ich nahm ihn dann trotzdem mit
 Und erledigte die Sache mit Kitt
     
    Der Schädel hat mich ins Grübeln gebracht
 Und ich habe an Onkel Leon gedacht
    Hat vier Sättel kleingekriegt
    Und vier Frauen zum Teufel geschickt
    Mir hat er mal ein Messer geschenkt
    Das schnitt so scharf, daß ich heut noch dran denk.
     
    Am nächsten Morgen ritt er zur Ranch der Crouches. Der Junge, Ace, war so aufgeregt und glücklich, eine Arbeit zu haben, daß er sich nichts daraus machte, Handlanger eines Windradmonteurs zu sein, noch dazu eines Mannes, der die Wörter zu holländischen Brezeln verdrehte. Die Ranch war heruntergekommen und abgelegen, die Weiden waren zu Tode gegrast, die Zäune so oft ausgebessert, daß sie nur noch aus Knoten und Beulen bestanden, die Kühe mager und gelbsüchtig, weil sie Maden hatten. In der Nähe des Hauses gab es ein Windrad, einen betagten Holzturm, und es hätte Rope gewundert, wenn er nicht schon oft genug notdürftig geflickt worden wäre. Das Windrad war zwar in Betrieb, quietschte jedoch fürchterlich, weil es seit Jahrhunderten nicht geschmiert worden war und unter tausend anderen Gebrechen litt. Rope dachte sich, wenn ein Familienmitglied zum Windradmonteur ausgebildet wurde, konnte das für die Crouch-Ranch nur von Nutzen sein.
    Doch während der Junge seine Sachen packte, verhandelte der alte Crouch, der ein Gesicht wie ein faltiger Hühnerhals hatte und mit jeder Geste und jedem Wort verriet, wie hart er seine Söhne anfaßte, über die Bezahlung des Jungen und verlangte, drei Viertel des Arbeitslohns direkt ausgehändigt zu bekommen.
    »Ich verzichte schließlich auf seine Arbeitskraft hier auf der Ranch. Wir brauchen jeden Mann.« Er wedelte unbestimmt mit der Hand. »Außerdem braucht er sowieso kein Geld, wenn er Kost und Logis bekommt. Das würde ihm bloß Flausen in den Kopf setzen, oder?«
    Rope unterdrückte den Wunsch zu sagen, der Junge könne ein neues Hemd brauchen oder eine Hose, die nicht zerlöchert und geflickt war, oder Stiefel haben wollen, die ihm paßten, oder sogar Geld sparen wollen, um sich einen neuen Sattel zu kaufen oder ein Pferd oder um ein Haus anzuzahlen, falls er einmal heiraten wollte; statt dessen sagte er, er nehme an, Mr.
    Crouch reite am besten hinüber und regle diese Frage mit Mr. Slike persönlich. Üblich war, daß jeder Rancharbeiter sein Geld ausgezahlt bekam und damit tun konnte, was er wollte, denn er hatte es sich erarbeitet. In diesem Augenblick kam der Junge mit seinem Bündel zerlumpter Kleidung und

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