Mitten in Amerika
Gesprächsgegenstand. Francis Scott Keister jedoch haßte die beiden – Frank Owsley und Teddy Paxson – mit erbitterter Inbrunst, sprach vom Teerenund Federn und von Schlimmerem. »Woolybucket braucht keine verdammten Schwuchteln«, sagte er. »Lieber würde ich unser altes Schulhaus, wo so mancher von uns sein ABC gelernt hat, einer Schweinefarm geben als diesen Homeoseychellen.« Aber Rope hatte in ihrem Glasatelier eine rote Schüssel gekauft, aus der er jeden Morgen seinen Maisbrei aß, und das bunte Feuer auf dem Tisch wärmte sein Herz beträchtlich. Er nahm an, daß Francis aus dem Kochtopf futterte.
Wegen der späteren Ereignisse erinnerte er sich besonders deutlich an den verrückten Holländer Habakuk van Melkebeek, der eines Frühlingstages in den dreißiger Jahren auf der Cutaway Ranch aufgetaucht war und nach Arbeit gefragt hatte. Er behauptete, aus Kampen in den Niederlanden zu stammen und in Oklahoma auf einer Weizenranch gearbeitet zu haben. Vorarbeiter auf der Cutaway war damals Hermann Slike, ein bärbeißiger alter Deutschtexaner mit Nasenflügeln wie Höhleneingänge. Er war in einer überbevölkerten Hütte mit Rasendach aufgewachsen und hatte sich davongemacht, bevor ihm der Bart zu sprießen begann.
»Verstehst du was von Windrädern?« fragte er den Holländer, dessen spindeldürre Beine und schwächliche Arme er abschätzig betrachtete. Der Bursche hatte zuviel Gesicht – wulstige Lippen, eine große gebogene Nase mit einer Verdickung am Ende, Lider wie aus Kuchenteig und Augenbrauen wie Unkraut. Kein Cowboy auf der Ranch war freiwillig bereit, am Windrad zu arbeiten, und wenn einer oder zwei gezwungen wurden, mit den Schmierölkannen auf die Plattform zu klettern, verwünschten sie Slike vom Frühstück bis zur Pritsche in der Arbeiterbaracke, und nachdem ein Mann vom Blitz erschlagen worden war, brauchte ein Cutaway-Cowboy nur das Wort »Windrad« zu hören, um sofort zu kündigen. Um die Windräder herum stand das Unkraut hoch, ideale Bedingungen für Klapperschlangen, und ein Werkzeug, das ins Unkraut fiel, blieb dort für alle Zeiten liegen. Es hieß, daß die CutawayRanch drei Sorten Cowboys beschäftigte – künftige, ehemalige und angestellte. Und deshalb hatte Slike selbst viele einsame Stunden auf schlüpfrigen Leitern verbracht und sich die Knöchel an störrischem Metall und abgenutzten Rotoren aufgeschürft.
»Ja. Ich weißen ganz gut Bescheid.«
Slike warf Rope Butt einen schnellen, verschwörerischen Blick zu, wie stromgeladener Draht.
»Na gut, wir versuchen es mit dir. Ich brauche einen guten Windradmann. Ach, zum Teufel, einen schlechten würde ich auch nehmen. Der wichtigste Mann auf der ganzen Ranch, falls du schon mal gesehen hast, wie Kühe vor Durst verrekken. Kühe müssen saufen. Wir haben auf unserem Land einundvierzig Windräder auf achtundzwanzig Weiden. Rope hier wird dir zeigen, wo sie sind. Du bist von jetzt an zuständig für die Windräder und für die Viehtränken. Viehzucht ist ein Geschäft, und dieses Geschäft hat nur einen Namen, nämlich Wasser.«
»Ja«, sagte Habakuk. »Ich müssen haben Stift und Papier. Ich schreiben auf die Windräder, wo, Wiese, Nummer, wie kaputt, Aufzeichnungen. Windräder bringen Geld. Daar moet de molen van malen – das müssen die Mühlen mahlen, nicht wahr?« Obgleich Habakuk aus Kampen stammte, einer Ortschaft, die für ihre Dummköpfe berühmt war, hielt er sich für einen Schlaukopf und mißtraute all jenen, die er verdächtigte, ihn hintergehen zu wollen. Er war schlau, doch es war die Schläue des dummen Hans im Märchen, der seinen Erfolg glücklicher Fügung verdankt und nicht seinen schlauen Plänen.
»Vermutlich«, sagte Slike, der sich fragte, was der Mann gesagt hatte. »Rope, zeig Milkbeak, wo er seine Sachen unterbringen kann, und gib ihm zwei anständige Pferde. Hol ihm ein paar Stifte und eines von den braunen Rechnungsbüchern von dem Regal im Büro. Das wär’s dann fürs erste. Geh nach dem Essen mit ihm raus und zeig ihm die Windräder. Sorg dafür,daß er jedes verdammte Windrad zu sehen kriegt. Sieh zu, daß ihr keines auslaßt. Vielleicht haben wir diesmal Glück.« Dann entfernte er sich, das Gesicht zu einem schwer deutbaren Ausdruck verzogen, teils säuerlich, als hätte er ein Glas zum Mund geführt in der Befürchtung, es könne Essig enthalten, teils freudig, als hätte er Champagner zu trinken bekommen. Ein paar Meter weiter drehte er sich um und sagte: »Zeig ihm den
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