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Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)

Titel: Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Schulmeister
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Depression geißeln (»Sparst du an mir, spar ich an dir«).
    Die Relevanz des systemischen Ansatzes zur Erklärung der Staatsverschuldung wird durch die Entwicklung in der Prosperitätsphase der Nachkriegszeit – gewissermaßen ex contrario – bestätigt. Damals wurde das Gewinnstreben systematisch auf die Realwirtschaft gelenkt, auf den Finanzmärkten war nichts zu holen. Gleichzeitig wollten die Menschen permanent über ihre Verhältnisse leben, also jedes Jahr mehr kaufen als im letzten. Der stete Anstieg der Nachfrage machte wiederum das Produzieren für die Unternehmer (höchst) profitabel.
    Makroökonomisch bedeutete dies: Der Unternehmenssektor übernahm das Sparen der Haushalte (Überschüsse) in Form von Investitionskrediten (Defizit) und verwandelte es in Realkapital und Arbeitsplätze. So konnte der Staat einen ausgeglichenen Haushalt aufweisen oder sogar Überschüsse, nicht zuletzt, weil sich auch die Leistungsbilanz verbesserte (die Summe aller vier Finanzierungssalden einer Wirtschaft ist null). Bei einem weit unter der Wachstumsrate liegenden Zinsniveau ging die Staatsschuldenquote zwanzig Jahre lang zurück, obwohl/weil der Sozialstaat stetig ausgebaut wurde.
    Fazit: Für eine systemisch orientierte und daher nachhaltig erfolgreiche Sanierung der Staatsfinanzen müssen folgende zwei Bedingungen gleichzeitig erfüllt sein, und zwar ex ante (in den Planungen/Erwartungen der Akteure):
Intersektorales Gleichgewicht: Das Haushaltsdefizit darf nur in dem Ausmaß verringert werden, in dem die Unternehmen bereit sind, ihr Defizit durch zusätzliche Investitionskredite auszuweiten, oder in dem Ausmaß, in dem die Haushalte ihren Finanzierungsüberschuss (Sparen) senken (durch zusätzlichen Konsum oder durch Transferierung eines Teils des Sparens an den Staat in Form von Konsolidierungsbeiträgen der Reichen). Die dritte Möglichkeit, nämlich die eigene Leistungsbilanz zu verbessern und so einen Teil des Problems ans Ausland abzutreten, hat in einem großen Wirtschaftsraum wie der EU 27 dann keine Relevanz, wenn es gilt, die Staatsverschuldung in der gesamten Region zu verringern.
Intertemporales Gleichgewicht: Liegt der Zinssatz über der Wachstumsrate, so müssen die Schuldnersektoren Unternehmen und Staat einen Primärüberschuss aufweisen (sonst wachsen ihre Schulden rascher als das BIP ), sie dürfen also nur weniger Kredite aufnehmen als sie an Zinsen für die schon bestehenden Schulden zu bezahlen haben. Unter dieser Bedingung müssen die privaten Haushalte ein Primärdefizit aufweisen, also weniger sparen, als sie an Zinserträgen lukrieren. Im Klartext: Sie müssen mehr als ihr gesamtes Lohn- und Gewinneinkommen verkonsumieren.
    Folgende Annahmen sind für die kommenden Jahre plausibel:
Bei bestenfalls schwachem Wirtschaftswachstum wird der Kredit- und Anleihenzins in der EU weiterhin über der Wachstumsrate liegen.
Der Unternehmenssektor wird daher auch künftig weiter einen Primärüberschuss aufweisen.
Selbst wenn es weiterhin versucht wird: Eine Verbesserung der Leistungsbilanz der Überschussländer wie Österreich oder Deutschland wird es nicht geben, eher eine Verschlechterung.
    Kombinieren wir beide Restriktionen mit den obigen Annahmen, so ergibt sich: Eine makroökonomisch effiziente Budgetkonsolidierung muss Maßnahmen setzen, die das Sparen (nicht aber den Konsum) der Haushalte senken, und zwar unter das Niveau ihrer gesamten Zinserträge. Die Maßnahmen müssen also erreichen, dass die Haushalte nicht nur ihren gesamten Lohn und Gewinn verkonsumieren, sondern auch einen Teil ihrer Zinserträge.
    Dies ist durch eine ausgabenseitige Konsolidierung nicht erreichbar. Das gilt nicht nur für die Senkung von Arbeitslosengeldern, Pensionen oder Sozialtransfers, sondern insbesondere auch für Maßnahmen, die unter betriebswirtschaftlichen Effizienzkriterien zu begrüßen sind wie Rationalisierungen im öffentlichen Dienst (= Senkung seiner Lohnsumme).
    Umgekehrt würden Konsolidierungsbeiträge der bestgestellten Haushalte lediglich ihr Sparen senken, sie können sich ihren Konsum ja weiter leisten. Solche Beiträge sind im Wesentlichen nur durch einnahmenseitige Maßnahmen möglich.
    These 6: Eine ausgabenseitige Budgetkonsolidierung wird die Lage der Vermögenden nicht sogleich, später aber dafür umso massiver verschlechtern.
    Das stärkste Argument für Beiträge der Bestgestellten ist folgendes: Nur wenn die »Reichen an Geld« jetzt spürbare Konsolidierungsbeiträge leisten, können

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