Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
einen spürbaren Konsolidierungsbeitrag leisten können, muss die Besteuerung der Privatstiftungen geändert werden.
In diesen Stiftungen liegen etwa 60 Milliarden Euro, davon circa 65 Prozent in Finanzvermögen angelegt (einschließlich Aktien). Die effektive Steuerbelastung der Stiftungserträge liegt weit unter fünf Prozent, sie ist umso kleiner, je reicher die Stiftung ist (die größten Stiftungen zahlen weit weniger als ein Prozent). Wenn sie auch nur wie Normalbürger auf alle Erträge 25 Prozent KEST zahlten, brächte dies circa eine Milliarde Euro. Dies würde das Sparen senken, nicht aber den Konsum (eine Verlagerung des Vermögens ins Ausland käme sehr teuer, der gesamte Wertzuwachs würde mit 25 Prozent besteuert – »Mausefalleneffekt«).
Mir geht es dabei nicht um einen Verteilungskrieg, sondern um einen Appell an die (sehr) Reichen, dass sie doch auch Mitglied »unseres Vereins« sind und daher in der krisenbedingten Notlage der Staatsfinanzen einen größeren Beitrag leisten mögen.
These 5: Die neoliberale Budgetkonsolidierung basiert auf der Symptomdiagnose »Der Schuldner ist schuld« und vernachlässigt deshalb die beiden wichtigsten makroökonomischen Bedingungen für eine erfolgreiche Sanierung der Staatsfinanzen, das intersektorale und das intertemporale Gleichgewicht.
Abb. 8: Transaktionsvolumen auf den globalen
Finanzmärkten
Konkret lautet die Symptomdiagnose hoher Staatsschulden: Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt und müssen nun den Gürtel enger schnallen (wer ist »wir«?). Tatsächlich lebt etwa die deutsche Wirtschaft seit 35 Jahren unter ihren Verhältnissen: Es wird viel weniger nachgefragt als produziert werden könnte, daher gibt es Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit und unausgelastetes Realkapital.
In systemischer Sicht liegt der Hauptgrund für steigende Staatsverschuldung in den finanzkapitalistischen Rahmenbedingungen auf Grund neoliberaler Empfehlung (»Haltet den Dieb!«): Bei instabilen Wechselkursen, Rohstoffpreisen, Aktienkursen und Zinssätzen senkten die Unternehmen ihre Realinvestitionen und damit ihr Finanzierungsdefizit. Die privaten Haushalte sparten aber fleißig weiter, ihr Überschuss blieb hoch. Damit musste der Staat langfristig ein höheres Defizit erleiden (durch höhere Arbeitslosigkeit und geringere Steuereinnahmen). Einzelnen Ländern wie Deutschland mag es gelingen, einen Teil des Problems ins Ausland (den vierten Sektor) zu verschieben, indem man selbst einen (Leistungsbilanz-)Überschuss erzielt, aber dann haben eben die anderen Länder ein höheres Defizit.
Überdies liegt der Zinssatz seit 30 Jahren über der Wachstumsrate. Bei dieser Konstellation dürfen die Schuldnersektoren Unternehmen und Staat nur weniger Kredite aufnehmen als sie an Zinsen für die Altschulden zu bezahlen haben, sonst wachsen ihre Schulden rascher als das BIP – sie müssen also Primärüberschüsse erzielen. Die Unternehmen drehten daher schon vor 30 Jahren ihren Primärsaldo in einen Überschuss, und zwar durch Senkung der Realinvestitionen. Aber auch die Haushalte erziel(t)en weiterhin Primärüberschüsse: Sie sparten (viel) mehr als ihre Zinserträge. So konnte es dem Staat nicht gelingen, selbst langfristige Primärüberschüsse zu erzielen. Also musste die Staatsschuldenquote steigen.
Fazit: Der Staat hat es allein nicht in der Hand, seinen Haushaltssaldo und seine Schuldenquote zu bestimmen, diese sind Resultat der Interaktion aller Sektoren, konkret der finanzkapitalistischen Spielanordnung. Die neoliberalen Geistesgrößen aber denken schlicht: »Der Schuldner ist schuld.« Dieser – gut gemeinte – Unsinn wurde im Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU verewigt und soll nun ausgeweitet werden.
Also müssen jetzt alle EU -Staaten sparen und gemeinsam die Krise vertiefen: Die Unternehmer sind ja noch keinesfalls bereit, ihre Investitionen stark auszuweiten, die Haushalte sparen eher mehr als weniger (auch aus Angst vor Sozialabbau), und die Leistungsbilanzüberschüsse gehen zurück. Konkret: Die den Club-Med-Ländern verordneten Super-Sparpakete werden besonders die deutschen Exporte in diese Region einbrechen lassen (der gestrenge Weltmeister hat am meisten zu verlieren). Gleichzeitig schwächen sich auch die Importe der USA und von China ab (dort bricht gerade der Immobilien- und Aktienboom zusammen). Im Klartext: Alle Sektoren versuchen nun zu sparen, wenn dann der Stabilitätspakt noch verschärft wird, werden wir uns gegenseitig in eine
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