Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
sie eine drastische Entwertung ihrer Vermögen in (nicht allzu ferner) Zukunft verhindern. Denn unter finanzkapitalistischen Rahmenbedingungen werden auf systematische Weise Finanzforderungen aufgebaut, die nicht durch Realkapital gedeckt sind. Der Staat übernimmt sie teilweise, kann aber die Schuldenlast nur bedienen, wenn die Wirtschaft kräftig und nachhaltig wächst – dies wird durch eine Sparpolitik vereitelt.
Rekapitulieren wir, wie in den letzten Jahren realwirtschaftlich unzureichend gedeckte Financial Assets geschaffen wurden:
Variante I bestand in der Bildung von fiktivem Kapital durch Aktienbooms. Dies musste zu Kursstürzen und damit Entwertungen führen. Diese Variante ist nunmehr ausgereizt.
Variante II bestand in der massiven Vergabe von Krediten an Immobilieninvestoren – in den USA oft nahezu mittellose Häuslbauer – und ihre Bündelung zu Wertpapieren (Mortgage Backed Securities).
Variante III bestand in der massiven Verschuldung des Staates: Dieser sprang in der Krise ein und gab nahezu schrankenlos Schuldtitel heraus. Die »Reichen an Geld« waren erleichtert, ihr Geld schien gerettet – allerdings wurde das Problem der »faulen« Assets nur auf eine höhere Ebene verschoben.
Variante IV: Das Gleiche gilt für die Rettung einzelner Euro-Länder durch den neuen 750-Milliarden-Euro-Fonds der gesamten EU .
Abb. 9: Akkumulation der nicht finanziellen
Kapitalgesellschaften
Simpel gesagt: Es wurden ungedeckte Forderungen der Banken via Rettungspakete an den Staat weitergereicht, dieser hat also selbst wie eine Bank agiert, um die Banken zu retten. Zusätzlich übernimmt nun die europäische Staatengemeinschaft auch hausgemachte Schulden einzelner Mitgliedsländer, das Problem wird auf die nächste Ebene weitergewälzt. Das ist zwar richtig in einer akuten Krise – die USA betreiben dies seit 2007 exzessiv, indem die Notenbank die Staatspapiere kauft –, eine Dauerlösung ist das aber nicht.
Früher oder später musste klar werden, was die Geschichte schon so oft gezeigt hat: Staaten können pleite gehen, wenn sie sich übernehmen, etwa durch Kriege oder durch Kapitalspritzen und Garantien für Banken im Ausmaß von bis zu 50 Prozent des BIP .
Dies wurde zunächst nicht wahrgenommen: In der akuten Finanzkrise kippte die neoliberale Staatsfeindlichkeit in eine groteske Staatsgläubigkeit, getrieben von dem Wunsch: »Lieber Staat, rette unser Geld!«. Am Beispiel Griechenlands ist die reale Gefahr einer Staatspleite sogar eines Euro-Landes offenbar geworden, die »Finanzalchemisten« haben als Erste den Braten gerochen und aus der Angst ein Geschäft gemacht.
Wenn nun die »Reichen an Geld« darauf bestehen, dass der Staat seine Schulden an sie durch Verringerung der Staatsausgaben abzahlt, dann verlangen sie eine logische Unmöglichkeit: Dadurch wird die realwirtschaftliche Deckung der Staatsschuld immer geringer, diese besteht ja aus den künftigen Staatseinnahmen, hängt also vom erwarteten Wirtschaftswachstum ab. Dieses aber wird durch eine Sparpolitik gesenkt, erst recht, wenn sie europaweit im Gleichschritt praktiziert wird.
Anders ausgedrückt: Den Arbeitnehmern muss wenigstens die Chance gegeben werden, gemeinsam mit den Unternehmern die Schulden des Staates gegenüber den »Reichen an Geld« abzutragen. Dazu müssen Letztere Konsolidierungsbeiträge leisten, mit deren Hilfe der Staat die Wirtschaft stimulieren kann (es handelt sich um das Transferproblem, das Keynes 1919 veranlasste, wütend den Verhandlungstisch in Versailles zu verlassen: Die Siegermächte diktierten Deutschland Reparationsschulden, gaben aber dem Schuldner keine Chance zur Schuldentilgung).
Wird den Produzenten (Arbeitnehmern und Unternehmern) diese Chance nicht gewährt, sondern eine nachfragedämpfende Sparpolitik praktiziert, so verbleiben drei Möglichkeiten:
Nachhaltig höhere Inflation (dafür ist es schon zu spät).
Direkte Finanzierung der Staaten durch die Notenbank: Diesen »Notweg« beschreiten gerade EU und EZB , unterstützt von Internationalen Währungsfond ( IWF ). Allerdings kann das keine Dauerlösung sein, insbesondere wegen der unterschiedlichen Finanz- und Wirtschaftslage innerhalb der EU bzw. des Euro-Raums (nur ein Land kann diese Strategie relativ lang praktizieren: das Leitwährungsland USA ).
Ein partieller Staatsbankrott, im optimalen Fall ein gemeinsam von allen EU -Staaten koordinierter Ausgleich, durch den ein Teil der Staatsschuld gestrichen wird.
These 7: Die Vermögenden
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