Mitten in der großen Krise. Ein »New Deal« für Europa (German Edition)
Ergebnissen eines langfristigen Forschungsprogramms, an dem ich seit Anfang der 1980er Jahre arbeite. Es untersucht das Verhältnis von Real- und Finanzwirtschaft und kommt zum Schluss: Nicht die realwirtschaftlichen Fundamentalfaktoren determinieren Handelsdynamik und Preisbildung auf Finanzmärkten (wie von der herrschenden Wirtschaftstheorie angenommen), sondern letztere beeinträchtigen auf geradezu systematische Weise die Aktivitäten von Unternehmern und Arbeitnehmern in der Realwirtschaft.Die theoretischen und empirischen Ergebnisse dieses Forschungsprogramms werde ich zu einem späteren Zeitpunkt in einem Buch zusammenfassen (wer zu früh kommt, den bestraft die Geschichte auch …).
Mit der sich seit 2007 vertiefenden Krise hat der Prozess der schrittweisen Implosion des Finanzkapitalismus begonnen. Dieser Typus einer kapitalistischen Marktwirtschaft hat sich seit Anfang der 1970er Jahre immer weiter ausgebreitet, er ist dadurch charakterisiert, dass sich das Gewinnstreben zunehmend von realwirtschaftlichen Aktivitäten zu Finanzveranlagung und -spekulation verlagert (im Gegensatz zum Realkapitalismus der 1950er und 1960er Jahre).
Der Übergang von einem finanz- zu einem realkapitalistischen Regime wird durch massive ökonomische, soziale und politische Verwerfungen geprägt, zuletzt – besonders extrem – zwischen 1929 und Ende der 1940er Jahre (die letzte Talsohle im langen Zyklus). Wiederum stehen wir am Beginn der Transformationskrise vor einer Verzweigung: So wie Reichkanzler Brüning 1930 den Gürtel enger schnallen ließ, so verordnen nun die europäischen Eliten – ausgeweitet auf die gesamte EU – eine radikale Sparpolitik. So wie Roosevelt ab 1932 versucht nun Obama einen anderen Weg zu gehen, nämlich die Krise durch eine expansive Strategie zu überwinden.
In dieser Situation möchte ich durch den vorliegenden Essay konkret aufzeigen: Auch für Europa gibt es bessere Wege, die Krise zu überwinden, als sich gegenseitig die Einkommen zu kürzen, indem man weniger ausgibt. Durch einen »New Deal« für Europa ließen sich gleichzeitig die Lebensbedingungen nachhaltig verbessern, insbesondere in ökologischer und sozialer Hinsicht. Dreierlei braucht es, um eine offensive Gesamtstrategie umzusetzen: Erstens die Einsicht, dass der Neoliberalismus eine Ideologie im Interesse des Finanzkapitals ist und nicht der UnternehmerInnnen (und schon gar nicht der ArbeitnehmerInnen) – der Neoliberalimus ist daher als (gemeinsames) Fundament einer Gesellschaftspolitik untauglich (und schädlich, insofern ihm dies zugebilligt wird). Da aber die Eliten in Europa den Neoliberalismus zur Grundlage ihrer (wirtschafts-)politischen Empfehlungen gemacht haben, wird ihnen diese Einsicht schwer fallen. Zweitens braucht es ein konkretes Konzept, mit welchen Maßnahmen eine innovative Wirtschaftspolitik Europa aus der Krise führen könnte. Dazu soll dieser Essay einen Beitrag leisten. Drittens braucht es ein Leadership auf Seiten der PolitikerInnen, ein solches Konzept auch gegen die wirtschaftswissenschaftlichen Bedenkenträger von gestern durchzusetzen.
Den weitaus größten Dank für das Zustandekommen dieser Arbeit schulde ich Eva Sokoll, die mich seit mehr als 30 Jahren mit einer Fülle statistischer Auswertungen versorgt hat, und selbst gegen unmögliche Anforderungen (Arbeit mit Minutendaten seit 1978, etc.) nur schwachen Widerstand leistete. Außerdem und (noch) wichtiger: Sie steht mir immer mit Rat und Kritik zur Seite, und das habe ich nötig.
Zu diesem Essay haben durch Tipps, Ergänzungen und Kritik insbesondere Volker Bahl-Benker, Erhard Busek, Sepp Wall-Strasser und Angela Köppl beigetragen. Herrn Prof. Hubert Christian Ehalt danke ich für die Einladung zu einer »Wiener Vorlesung«, Frau Dr. Barbara Giller vom Picus Verlag für ein effizientes und rasches Lektorat.
Viele Grundlagen dieses Essays wurden in einem kleinen, sehr alten Bauernhaus in Ybbsitz erarbeitet, herzlichen Dank an Leopold und Rosi Dieminger, dass ich dort wohnen durfte. Der Text dieses Essays wurde im Mai 2010 auf der Insel Patmos verfasst. Ich danke Frau Dr. Erika Karalis, dass ich ihre »Akropolis« bewohnen durfte. Auf Patmos hat der Evangelist Johannes die Apokalypse geschrieben und über die Insel heißt es in einem Gedicht von Hölderlin: »… wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch …«
Ein guter Ort, um am Konzept für die Bewältigung einer großen Krise zu arbeiten.
Wien und Patmos, Mai 2010
Mitten in der
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