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Mitten in der Nacht

Mitten in der Nacht

Titel: Mitten in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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für ein Blick?«
    »Der Blick, den eine Frau bekommt, wenn ein Mann sie angefasst, aber seine Aufgabe nicht bis zum Ende durchgeführt hat.«
    »Ich kann meine Aufgabe auch selbst zu Ende führen, wenn das das einzige Problem ist.«
    Mit einem schnaubenden Lachen brach Odette einen Zweig Rosmarin ab. Sie zwickte mit den Nägeln in die Nadeln und wedelte aus purer Freude an seinem Duft damit unter ihrer Nase hin und her. »Warum solltest du dich selbst kratzen, wenn's juckt, solange ein anderer dich kratzen könnte? Ich mag jetzt zwar schon auf die Siebzig zugehen, aber ich weiß Bescheid, wenn ich einen Mann sehe, der Absichten hat und sie auch umsetzen kann.«
    »Mein Leben wird nicht von Sex bestimmt, Großmama.«
    »Nein, aber es würde dadurch bestimmt angenehmer.« Sie richtete sich wieder auf. »Du bist nicht Lilibeth, 't poulette.«
    Lena musste lächeln, als sie den Kosenamen ihrer Kindheit hörte – kleines Hühnchen. »Das weiß ich.«
    »Aber dass du nicht wie sie bist, heißt nicht, dass du allein bleiben musst, wenn du jemanden findest, der den richtigen Funken in dir zu entfachen versteht.«
    Lena nahm den Rosmarin, den Odette ihr reichte, und strich damit über ihre Wange. »Ich glaube nicht, dass er nur nach einem Funken sucht. Ich glaube, er möchte gleich ein ganzes Freudenfeuer entzünden.« Sie stützte sich auf ihren Ellbogen ab und schüttelte das Haar nach hinten. »Jetzt habe ich schon so lange gelebt, ohne entzündet worden zu sein, und ich werde es auch weiterhin so halten.«
    »Für dich gab's von jeher nur rechts oder links. Selbst mit der Peitsche hätte ich dich nicht dazu gebracht, einen Mittelweg einzuschlagen. Du bist meine Kleine, selbst wenn du jetzt eine erwachsene Frau bist, also sage ich dir Folgendes: Es ist gut und recht, wenn eine Frau ihren Weg allein geht, solange die Gründe dafür stimmen. Hat sie aber Angst, ansonsten zu stolpern, dann ist das der falsche Grund.«
    »Und was passiert, wenn ich mich auf ihn einlasse?«, wollte Lena wissen. »Und er dann genug hat vom Sumpfwasser und wieder nach Boston zurückgeht? Oder er einfach von mir die Nase voll hat und sich eine andere Partnerin sucht?«
    Odette schob ihren Hut zurück auf den Scheitel. Ihr Gesicht spiegelte lebhaft ihre Verzweiflung. »Was passiert, wenn es Sturzbäche regnet und es uns in den Mississippi spült? Mein Gott, Lena, so darf man doch nicht denken. Dabei vertrocknest du.«
    »Ich habe mich sehr wohl gefühlt, ehe er kam, und ich werde mich auch wohl fühlen, wenn er wieder geht.« Schmollend streckte sie ihre Hand aus, um Rufus den Kopf zu kraulen, der mit seinem Kopf an ihre Knie stubste. »Das Haus da drüben, Großmama, dieses Haus, das er mit aller Gewalt wieder zum Leben erwecken will, ist das Symbol dafür, was passiert, wenn zwei Leute nicht an denselben Platz gehören. Ich bin ihr Blut, und ich weiß das.«
    »Du weißt gar nichts.« Odette tippte Lenas Kinn an. »Wenn sie sich nicht geliebt hätten, wenn Abby Rouse und Lucian Manet sich nicht geliebt und ein Kind zusammen gemacht hätten, dann wären du und ich nicht hier.«
    »Wenn das ihre Bestimmung gewesen wäre, dann wäre sie nicht auf diese Art und Weise umgekommen. Sie wäre kein Geist in diesem Haus.«
    »Ach, chère.« Verzweiflung und unendliche Zuneigung färbten gleichermaßen Odettes Stimme. »Es ist nicht Abby Rouse, die in diesem Haus geistert.«
    »Wer ist es dann?«
    »Ich vermute, dass dieser Junge hier ist, um genau das herauszufinden. Könnte sein, dass es deine Aufgabe wäre, ihm dabei zu helfen.«
    Sie schnupperte. »Das Brot ist fertig«, sagte sie, eine Sekunde bevor der Signalton des Herdes ertönte. »Möchtest du einen Laib rüber zum Herrenhaus bringen?«
    »Nein«, erwiderte Lena mit verbissener Miene.
    »Na gut.« Odette ging die Stufen hoch und öffnete die Hintertür. »Dann bring ich ihn vielleicht selbst rüber.« Als sie einen Blick über ihre Schulter warf, tanzten in ihren Augen übermütige Lichter. »Könnte gut sein, dass ich ihn dir unter der Nase wegschnappe.«
    Declan hatte sämtliche Türen und Fenster im Erdgeschoss weit geöffnet. Aus seiner Stereoanlage tönte Ry Cooder mit seinem kraftvollen Rhythm and Blues. Im Rhythmus der Musik strich Declan die erste dünne Lackschicht auf den frisch abgeschliffenen Fußboden.
    Alles tat ihm weh. Jeder Muskel und jeder Knochen in seinem Körper machte sich mit demselben Ungestüm bemerkbar wie Ry Cooder. Er hatte gehofft, durch die körperliche Anstrengung

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