Mitten in der Nacht
verwirklichen, das ihm gehörte. Ihm aber irgendwie nicht allein gehörte.
Abigail schwebte über allem, sie war ein verdammt wankelmütiges Weib. Es gab Zeiten, in denen er sich richtig wohl fühlte, vollkommen friedlich. Und andere, wenn die kalte Angst ihm Schauer über den Rücken jagte. Zeiten, in denen er tief innen spürte, dass er beobachtet wurde.
Man ihm auflauerte.
Genau die richtige Frau für dich, dachte er, als er seinen Morgenkaffee trank. Erst lächelt sie dich an, dann schlägt sie dich.
Während er noch diesem Gedanken nachhing, sah er Lena und den großen schwarzen Hund aus den Bäumen heraustreten.
Erfreut stellte er seinen Kaffee zur Seite und ging auf die Galerietreppe zu.
Sie hatte ihn längst gesehen, ehe er sie entdeckte. Im Schutz der Bäume und des Morgennebels war sie stehen geblieben, hatte sanft Rufus Kopf gestreichelt und das Haus studiert. Ihn studiert.
Was hatten dieser Ort und dieser Mann nur an sich, das sie derart anzog?, fragte sie sich. Entlang der River Road bis hinunter nach Baton Rouge gab es jede Menge großer alter Häuser in der Gegend hier.
Und es gab weiß Gott jede Menge gut aussehender Männer, falls eine Frau einen suchte.
Aber es war dieses Haus, das von Anfang an ihr Interesse und ihre Vorstellungsgabe geweckt hatte. Und jetzt schien es diesem Mann, der gerade in einem verlotterten Hemd und einer noch verlotterteren Hose die dicken Steintreppen heruntergerannt kam, das Gesicht noch rau vom nächtlichen Bartwuchs, gelungen zu sein, auf sie die gleiche Faszination auszuüben.
Wünsche waren ihr unangenehm. Sie kamen ihr in die Quere. Und wenn ein solcher Wunsch mit einem Mann zu tun hatte, dann war Kuddelmuddel im Leben garantiert.
Sie hatte ihr Leben Stein für Stein aufgebaut. Und es gefiel ihr so, wie es war. Ein auch noch so liebenswerter Mann würde bestenfalls das Design verändern. Schlimmstenfalls sämtliche Bausteine zum Einsturz bringen.
Seit der Nacht, in der sie ihn in ihr Bett gelassen hatte, hatte sie sich von ihm fern gehalten. Nur um unter Beweis zu stellen, dass sie es konnte.
Aber jetzt hatte sie für ihn ein Lächeln übrig, ein träges Katzvor-dem-Mausloch-Lächeln, und blieb standhaft, als der Hund losraste und den Bodennebel zerriss, um ihn zu begrüßen.
Rufus sprang hoch, leckte mit seiner Zunge über Declans Gesicht und ließ sich dann rücklings auf den Boden fallen, um sich den Bauch kraulen zu lassen.
Das war, wie Lena wusste, Rufus' Art, seine bedingungslose Liebe zu zeigen.
Wickelt auch die Hunde um den Finger, ging es ihr durch den Kopf, als Declan in die Hocke ging, um ihn zu rubbeln und mit ihm zu ringen. Dieser Mann hatte entschieden zu viel Ausstrahlung. Das konnte nicht gut gehen, vor allem nicht für sie.
»Rufus!«, rief sie, und in einem Wirbel aus Muskeln und Gliedmaßen kam er auf die Beine und hätte Declan beinah umgeworfen. Lachend warf sie den Ball, den sie in der Hand trug, hoch in die Luft und schnappte ihn sich mit Leichtigkeit, als er wieder nach unten kam. Rufus griff sie an, ein Schemen aus schwarzem Fell und Begeisterung. Sie warf den Ball über den Teich. Rufus jagte davon, setzte übers Wasser und erwischte den Ball mit den Zähnen, Sekunden vor seinem gewaltigen Platscher.
»Die Bo Sox könnten euch beide gut brauchen.« Während der Hund ans Ufer schwamm, hatte Declan Lena eingeholt und stemmte sie an den Ellbogen hoch in die Luft. Einen kurzen Moment lang war es ihm vergönnt, sie vor Überraschung blinzeln zu sehen, ehe er ihren Mund mit seinem bedeckte und sie an sich drückte.
Sie packte sein Hemd, doch nicht, weil sie, in der Luft schwebend, um ihr Gleichgewicht kämpfte, sondern weil er darunter steckte, dieses ganze Paket aus Muskeln, Hitze und Mann.
Sie hörte den Hund bellen, ein dreimaliges tiefes Grollen, dann durchtränkte sie das Wasser, das er von sich abschüttelte. Sie wäre nicht überrascht gewesen, wenn es auf ihrer Haut verdampft wäre.
»Guten Morgen«, sagte Declan und stellte sie wieder auf die Füße. »Alles klar?«
»Bei dir auch?«, erwiderte sie und rieb mit ihrer Hand über seine Bartstoppeln. »Du brauchst eine Rasur, cher.«
»Hätte ich gewusst, dass du mir heute Morgen über den Weg läufst, hätte ich mich darum gekümmert.«
»Ich bin dir nicht über den Weg gelaufen.« Sie hob den Ball auf, den Rufus ihr vor die Füße hatte fallen lassen, und schickte ihn und den Hund wieder im Flug davon. »Ich spiele nur mit dem Hund meiner Großmama.«
»Geht es ihr
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