Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
Gegen sieben in der Frühe war sie dann endlich eingeschlafen, und er hatte Luigi und Despina angerufen.
Es war kurz nach zehn, als sein Schwager zurückrief. Schon am Nachmittag würden sie in Düsseldorf ankommen.
Vittores Selbstvorwürfe hatten sich in Zorn verwandelt. Seit Stunden dachte er darüber nach, woher er den Mann kannte, aber es fiel ihm einfach nicht ein. Roberta stand zerzaust in der kleinen Küche und machte Kaffee. Der kurze Schlaf hatte ihr gut getan. Ihre Verzweiflung war einer dumpfen Mattigkeit gewichen. Sie bewegte ihren kräftigen runden Körper nicht mit der gewohnten Wendigkeit, aber ruhig und sicher.
Als sie die Kaffeetassen auf den Tisch stellte, nahm er ihre Hand.
„Wir lassen heute geschlossen, Roberta. Bleib du im Krankenhaus, ich hole Despina und Luigi vom Flughafen ab.“ Sie sah ihn dankbar an. Das hatten sie in all den Jahren noch nie getan. Das Restaurant zu, auf einem Freitag.
Sie fuhr mit dem alten Golf, den sie für Luca angeschafft hatten. Vittore stand am Küchenfenster, sah zu, wie sie eine Sporttasche auf den Rücksitz stellte und losfuhr. Eine halbe Stunde später bestieg er den Kombi mit der Aufschrift „Pizzeria Gambero“ und fuhr zu seiner Autowerkstatt. Er konnte zwar den Fahrer des Wagens nicht einordnen, aber er konnte vielleicht herausfinden, wo dieses Auto hergekommen war.
Jürgen Beckmann stand zwischen den Pfosten der Hebebühne unter einem Wagen und klopfte mit einem Schraubenzieher den Auspuff ab.
Vittore begrüßte ihn und stellte sich dazu.
„Du hast von dem Überfall auf Berger gehört?“
Beckmann grinste. „Reden doch alle von. Frechheit siegt, sag ich immer.“
Vittore überlegte einen Augenblick, ob er von Luca erzählen sollte. Dann entschied er sich dagegen.
„Sag mal, dieses Auto. Hast du eine Ahnung, wo das her war?“
Beckmann zuckte mit den Schultern.
„Die waren doch nicht von hier, Vittore. Die machen das doch in ganz Deutschland.“
Sie gingen durch das weit geöffnete Rolltor hinaus. Zum Straßenrand hin standen etwa zwanzig Fahrzeuge. An den Rückspiegeln hingen Preisschilder und schön gerechnete Ratenkäufe.
„Ich meine, wenn sie von hier wären, wer käme in Frage?“
Vittore ging auf Beckmanns Pickup zu. „Das war ein Geländewagen. Fünftürer. Aber vor dem Frontschutzbügel hatte der eine Konstruktion aus Stahlrohren. Sah aus wie eine Bleistiftspitze mit einem Durchmesser von ungefähr einem halben Meter. Damit sind die doch nicht quer durch Deutschland gefahren.“
Beckmann sah ihn kritisch an. „Vittore, was ist denn mit dir los? Spielst du auf deine alten Tage Detektiv?“
„Ich hab das Ding gesehen, weißt du. Es interessiert mich einfach. Also, was meinst du?“
Die Wolkendecke zeigte Löcher, für einen Augenblick glänzten die ausgestellten, polierten Autos in der Sonne.
„Keine Ahnung, aber wenn irgendjemand dazu was
wissen könnte, dann Olpmeier. Der hat sich auf Geländewagen spezialisiert.“
Beckmann lachte. „Aber ich glaube nicht, dass der so ein Ding bauen würde.“
Vittore verabschiedete sich. „Ich muss weiter, Jürgen. Wir sehen uns.“ Olpmeier war am Ring. Da konnte er noch schnell vorbei, bevor er zum Krankenhaus und anschließend zum Flughafen musste.
Als er auf das Gelände des Autohändlers fuhr, sah er ihn sofort. Er stieg aus und ging auf den Wagen zu. Patrol stand auf dem Schutzbezug des Reservereifens. An der Frontscheibe war ein Schild festgemacht. Nissan Patrol, Baujahr 1994, 167.000 km. Ein Verkäufer stand plötzlich hinter ihm. „Schöner Wagen, ne!“ Vittore drehte sich erschrocken um. Vor ihm stand ein Mann um die Fünfzig mit wenig Haar. Unter der geöffneten Anzugjacke spannte ein hellblaues Hemd über den ausladenden Bauch. An seinem Revers verriet ein kleines Schild, dass der Mann Norbert Neubauer hieß.
„Ja, ein sehr schöner Wagen. Aber … haben Sie den auch in schwarz?“ Neubauer lachte kurz auf. „Machen Sie Witze? Die sind nur noch selten. Da hat man Glück, wenn man überhaupt noch einen bekommt, das können Sie mir glauben. Absolute Liebhaberstücke! Zu dem Preis finden Sie keinen anderen weit und breit. Der hat eine Lederausstattung …“
Vittore unterbrach ihn. „Haben Sie vielleicht in letzter Zeit einen schwarzen verkauft?“
Neubauer trat einen Schritt zurück und musterte Vittore misstrauisch.
„Sind Sie von der Polizei?“
Vittore schüttelte eilig den Kopf. „Nein, nein. Es ist nur, ein Freund hat mit seinem einen Unfall gebaut. So
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