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Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt

Titel: Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mechtild Borrmann
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ein Auto, aber eben in Schwarz. Es ist vorne total eingedrückt.“
    „Verstehe. Nein, einen schwarzen haben wir nicht.“
    „Auch nicht verkauft in letzter Zeit?“ Wieder beäugte der Mann ihn kritisch. Er klang gereizt. „Wenn ich einen verkauft hätte, wäre Ihrem Freund damit ja wohl nicht gedient, oder?“
    Vittore nickte betreten. Er versuchte es ein letztes Mal. „Ich dachte, ich hätte vor ein paar Wochen hier einen stehen sehen. Aber da hab ich mich wohl geirrt.“
    Der Verkäufer wandte sich ab. „Ein Patrol aus der Serie hat hier bestimmt nicht gestanden. Wie gesagt, die sind selten. Einen mit Baujahr 2003 hatte ich in Schwarz, aber der ist weg und außerdem könnte Ihr Freund die Teile nicht gebrauchen. Die passen nicht.“
    Vittore wurde ganz unruhig. „Wissen Sie noch, an wen Sie den verkauft haben?“
    „Hören Sie“, Neubauer kam zurück und sprach mit erhobenem Zeigefinger, „ich weiß nicht, für wen Sie hier rumschnüffeln, aber ich glaube, Sie sollten jetzt schleunigst verschwinden.“ Mit großen Schritten marschierte Norbert Neubauer zurück ins Warme.

9
    Sven kommt am 12. April zur Welt und füllt ihre Tage und Nächte mit seiner Bedürftigkeit. ER ist nach wie vor auf Reisen, ist oft nur eine Nacht in der Woche zu Hause, bringt ab und an ein Kuscheltier für das Kind oder Blumen für sie mit. An einem Wochenende im Juli stellt er einen Pavillon aus weißer Kunststoffplane, einen Tisch und Gartenstühle auf den Rasen. Der Sommer bringt unerwartet heiße Tage, die sie draußen verbringt. Nachmittags spaziert sie mit dem Kinderwagen in die Stadt, schaut von der Rheinpromenade aus den Ausflugsschiffen hinterher, setzt sich auf eine Bank und wartet, bis die Sonne sich auf den Fluss legt. Ertrinkendes Purpur, tanzendes Gold und lange Schatten, die sie zusammen mit dem Kinderwagen vor sich herschiebt, bis sie in das kühlende Dunkel des Lindentunnels tritt.
    In seiner Abwesenheit nimmt sie verschiedene Telefonanrufe entgegen und begreift. Die Firma gehört ihm nicht. Er ist angestellter Autoverkäufer. Kontoauszügen entnimmt sie, dass auch das Haus ihm nicht gehört, sondern möbliert gemietet ist.
    Ab und an telefoniert sie mit ihrer Mutter, streicht für sie die Wände der Zimmer aprikot, hellblau und gelb, verlegt für sie Laminat, macht für sie aus dem kleinen Pavillon eine geräumige Terrasse und aus ihm einen Vater, der oft zu Hause ist und sie und das Kind auf Händen trägt. Wenn sie auflegt, hat sie nicht gelogen. Wenn sie auflegt, weiß sie, dass es bald so sein wird.
    Sie hat den Weihnachtsbaum mit goldenen und roten Kugeln, kleinen Strohsternen und Kerzen geschmückt. Auf der Baumspitze steht ein Engel mit weißen, weit gespannten Flügeln.
    Für ihren Mann legt sie eine CD von Deep Purple und einen Kaschmirpullover unter den Baum. Für Sven eine Kugelbahn und einen Plüschlöwen. Er schenkt ihr eine Kette mit herzförmigem Anhänger.
    Als sie Sven zu Bett gebracht hat, schmiegt sie sich an und flüstert ihm ihr eigentliches Geschenk zu. Bald werden sie zu viert sein.
    Sie spürt, wie sein Körper steif wird.
    Er packt sie bei den Schultern, schüttelt sie, brüllt und schlägt ihr mit der Faust ins Gesicht. Ob sie noch bei Verstand wäre, wieso sie nicht aufgepasst habe und ob sie wirklich glaube, dass er das mit sich machen lasse. Er läuft ins Schlafzimmer, packt einen Anzug, Hemden und Schuhe zusammen und rennt aus dem Haus.
    Sie geht in die Küche, wäscht sich das Gesicht, kühlt ihre aufgeplatzte Lippe.
    Er hat sie geschlagen! Sie hat Angst vor ihm gehabt.
    Sie geht zum Telefon, wählt die Nummer ihrer Mutter. Sie will fort.
    Das Gespräch ist kurz. Es ist spät, und die Mutter spricht schleppend aggressiv. Ihr ist, als könne sie die Cognacfahne durch das Telefon riechen.
    „Jetzt hör mir mal gut zu. Du lebst in einem wunderschönen Haus, hast einen Mann, der dich auf Händen trägt und bei den kleinsten Schwierigkeiten willst du alles hinschmeißen? Nur, weil er mal die Nerven verloren hat? Ich will dir mal was sagen: Das kommt in jeder Ehe vor! Da muss man auch mal zurückstecken. Außerdem ist der Johann bei mir eingezogen. Der zahlt die Hälfte der Miete.
    Du musst auch mal an Sven denken. Und demnächst hast du dann ja zwei. Du hast doch nichts gelernt. Also mir kannst du nicht auf der Tasche liegen.“
    Erst am Siebenundzwanzigsten kommt er zurück.
    Vorgebeugt, den Kopf gesenkt, spricht er mit leise flehender Stimme.
    Sie habe ihn geschockt, das müsse sie

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