Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
wir in den nächsten Tagen zusammen los und die Sachen aussuchen. Und vielleicht“, fügt sie hinzu, „vielleicht könntest du mir dann mal deine Firma zeigen?“
Sie friert, noch bevor ihre Augen sich treffen. Er hat den rechten Mundwinkel hochgezogen, sieht sie an mit einem Blick, den sie noch nie gesehen hat. Ein Blick, den sie genau kennt. „Das ist nicht dein Ernst“, sagt er mit ruhiger Stimme. Sie weicht ihm aus, starrt auf ihren Teller. „Sieh dich doch mal an! Hast du dich in letzter Zeit mal angesehen?“ Immer noch ist seine Stimme von dieser Ruhe, die sie nicht einschätzen kann. Die droht.
Sie schüttelt den Kopf, schluckt!
Dann brüllt er los. „Schlampe“ bleibt ihr im Gedächtnis. Was sie denn noch alles von ihm wolle? Auffressen würde sie ihn, wäre nie zufrieden. Ob er nicht genug arbeiten würde? Schwanger sei sie doch nur geworden, um sich ins gemachte Nest zu setzen. Er nimmt die Flasche Wein und wirft sie gegen die Wand. Dann springt er auf und läuft hinaus.
Sie hört den Motor des Porsches aufheulen, während sie am ganzen Körper zitternd die Teller zusammenstellt. Als sie sich bückt und die zerbrochene Flasche aufsammelt, spürt sie nicht, wie die Scherbe in ihren Handballen schneidet.
Sie setzt sich an den Esstisch, starrt die Narzissen an, als könne sie sich das Gelb der Blüten nicht erklären. Sie weiß nicht, wie lange sie so da sitzt, aber dann spürt sie den Schmerz in der Hand. Das Blut tropft auf den abgeschabten Perserteppich.
In den frühen Morgenstunden weckt er sie. Es tut ihm leid. Er liebt sie doch. Ein großes Geschäft sei ihm geplatzt, er wäre einfach mit den Nerven am Ende gewesen. Aber sie müsse ihn auch verstehen.
Er arbeite hart, habe den ganzen Tag auf der Autobahn verbracht, um am Abend bei ihr zu sein. Und sie käme immer nur mit ihren Forderungen. Er habe sie doch gefragt, wie viel Geld sie brauche. Wieso das nicht gereicht habe? Warum sie immer noch mehr fordern müsse? Sie habe manchmal so eine maßlose Art.
Am nächsten Vormittag fahren sie gemeinsam in ein Möbelgeschäft, kaufen Kinderbett und Wickelkommode, ein Mobile mit bunten Fischen und blaue Bettwäsche mit Tigerenten. Vor dem Geschäft gibt er ihr einen Umschlag mit siebenhundert Mark. „Für unser Kind“ hat er darauf geschrieben.
Den Abend vergisst sie. Nur die Narbe auf ihrem Handballen bleibt.
7
Vincent Grube hatte beim Türken eilig einen Döner verdrückt. Jetzt mühte sein Magen sich mit Brot, Fleisch und scharfen Gewürzen ab. Er zog ein Päckchen Talcid aus der Jackentasche, drückte gleich drei Kautabletten aus der Folie und kaute sie langsam durch.
Berger saß mit einer Aktentasche auf dem Schoß vor seiner Bürotür. Die Füße hatte er übereinander geschlagen und unter den Stuhl geschoben. Für einen Augenblick musste Grube an ein Kind vor dem Büro des Schuldirektors denken.
Als Berger ihn sah, sprang er auf und klemmte die Tasche unter den linken Arm.
Grube reichte ihm die Hand, öffnete die Tür und ließ ihm den Vortritt.
Kaum saß er, da öffnete er die Aktentasche und reichte Grube drei zusammengeheftete Blätter.
„Das sind die Schmuckstücke, die fehlen.“
Grube blätterte die Liste durch. Berger rutschte unruhig vor und zurück. Die Liste war in einer zweiten Spalte mit Preisen versehen. Die Gesamtsumme belief sich auf achthunderttausend Euro.
„Das sind die fehlenden Schmuckstücke. Und ich habe einen Anwalt eingeschaltet …“
Vincent Grube sah ihn überrascht an.
Berger sprach aufgeregt weiter.
„So einfach geht das nämlich nicht, wie die sich das vorstellen. Die müssen sich genau wie ich an den Vertrag halten. Wissen Sie, was ich im Laufe der Jahre an die bezahlt habe? Die wollen den Fall erst selber untersuchen. Vorher zahlen die nicht. Die sollen mal ihr eigenes Kleingedrucktes lesen, sagt mein Anwalt. Außerdem, die Sache ist doch klar!“
Grube sortierte die zusammenhanglosen Sätze und kam zu dem Schluss, dass Berger wohl von seiner Versicherung sprach. Er sah deutlich gesünder aus als am Tag zuvor und verbreitete eine Aufgeregtheit, die Grubes kneifendem Magen nicht gut tat.
Für einen Augenblick überlegte er, ob Berger ihm am Abend zuvor, blass und kurz vor einem Nervenzusammenbruch, nicht besser gefallen hatte.
„Herr Berger, das müssen Sie mit ihrer Versicherung klären. Haben Sie die Aufzeichnungen von Dienstag und Mittwoch dabei?“
Wieder griff der kleine Mann in die Tasche und holte zwei DVDs hervor.
„Darauf ist
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