Mitten in der Stadt - Borrmann, M: Mitten in der Stadt
erreichen, um den Abend abzusagen.
Van Oss sah sich um. „Wieso wart ihr hier?“
„Der Überfall auf den Juwelier. Wir wollten seinen Wagen überprüfen.“ Grube wies mit dem Kinn in die hintere Ecke der Halle auf den roten Patrol.
Vor dem Tor fuhr der Leichenwagen vor. Auch er wollte offensichtlich bis in die Halle fahren. Linda lief, immer noch telefonierend, auf ihn zu und stoppte ihn.
Van Oss und Grube stiegen die Stufen hinauf und blieben an der Bürotür stehen. Blitzlichter leuchteten auf. Lembach und zwei weitere Männer in weißen Overalls sicherten Fingerabdrücke und fotografierten. Der Raum war spärlich möbliert. Ein ramponierter Schreibtisch aus hellem Holz zur Fensterfront. Ein relativ neuer Kühlschrank, auf dem eine noch eingeschaltete Kaffeemaschine eine rabenschwarze Pfütze wärmte. Daneben ein Waschbecken mit schmuddeligem Handtuch. Der Fensterfront gegenüber, hinter einem fleckigen grauen Velourssofa, verlief über die gesamte Wand ein fest eingebautes Regal, in dem ein paar Tassen und Teller und jede Menge leerer Bier- und Weinflaschen standen. Auf dem unteren Regalbrett lagen Pullover, blaue Overalls und eine Jeans. Neben der Tür, in einem Spind, hingen drei Anzüge und mehrere Hemden unter Folien, darüber ordentlich gestapelte Unterwäsche. Auf dem Spindboden standen teure Lederschuhe auf Spanner gezogen. Inhalt und Ordnung in dem kleinen Schrank wirkten völlig deplatziert.
Lembach nickte van Oss zu. „Na, Joop, hast du an einem Samstagabend auch nichts Besseres vor? Wo sind denn Böhm und Steeg?“
Joop winkte unglücklich ab. „Peter ist noch in Urlaub und Achim ist krank geschrieben. Ich bin ganz alleine.“
Er sagte das in einem Ton, der Lembach ein ironisch mitleidiges „Ooooch“ entlockte.
Peter Böhm, Achim Steeg und Joop van Oss vom K11 waren ein ausgesprochen erfolgreiches Team. Van Oss hatte bisher noch keinen Mordfall ohne die beiden bearbeiten müssen.
Er sah sich um.
„Habt ihr schon was?“
Lembach machte eine einladende Handbewegung. „Spuren ohne Ende! Aber ob wir da was mit anfangen können?“
Van Oss stellte sich an das zerborstene Fenster und betrachtete den Toten. Der starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. Ein letztes großes Erstaunen im Gesicht.
„Hat er so gelegen?“
Grube mischte sich ein. „Nein, er lag mit dem Gesicht zum Boden. Bongartz hat ihn umgedreht.“ Joop nickte ihm zu. „Wissen wir, wer er ist?“
„Koller. Andreas Koller. Wohnhaft in Emmerich.“
„Was wisst ihr über seine Beteiligung an dem Überfall?“
„Nichts! Wir sind dabei, routinemäßig alle Patrolhalter zu überprüfen und haben uns erstmal alte Bekannte vorgenommen.“
Joop zog sich einen Handschuh über, trat an den Schreibtisch und hob die Schreibunterlage hoch. Darunter lag ein Familienfoto. Der Mann auf dem Bild war eindeutig der Tote. Neben ihm stand eine zierliche Frau und davor drei Kinder. Er drehte das Bild um. 05/2002 war zu lesen. Joop gab das Bild einem der Spurensicherer.
Grube wandte sich an Lembach. „Ihr müsst auf jeden Fall den Wagen unter die Lupe nehmen. Vielleicht finden wir da was.“
Lembach blickte ihn strafend an. „Müssen wir das, ja?“
Grube drehte sich um und ging die Treppe hinunter.
„Ja, müsst ihr“, brummte er vor sich hin. Kollers Tod konnte kein Zufall sein. Und an einen Unfall konnte er auch nicht glauben.
Linda untersuchte mit einer Taschenlampe die Ladefläche des Patrols. Sie winkte ihn zu sich. „Ich weiß nicht, wie die das mit dem Umlackieren hingekriegt haben, aber sieh dir das mal an.“ Neben dem Wagen lehnte an der Hallenwand eine dreieckige Stahlkonstruktion mit Verstrebungen aus Flacheisen.
Sie packte Grube am Arm und zog ihn vor zum Kühlergrill. Sechs Bohrungen waren auf dem Frontschutzbügel zu erkennen.
Van Oss stand plötzlich neben ihnen.
„Habt ihr was?“ Grube zeigte auf die Bohrungen und das Gestell. „Mit diesem Vorbau sind sie in das Fenster gefahren.“ Er schüttelte den Kopf. „Aber das Auto war schwarz und der hier sieht nicht so aus, als wäre er frisch lackiert.“
Lembachs Mitarbeiter sammelten die großen Scherben um den Toten herum auf, um auch hier Fingerabdrücke zu sichern. Einer beschäftigte sich mit der Mülltonne neben dem Rolltor.
Die Bestatter hievten Koller in den Kunststoffsarg und fuhren grußlos davon.
Linda sah van Oss herausfordernd an. „Wie soll denn jetzt weitergearbeitet werden? Bleiben wir an dem Raubüberfall oder macht ihr das in einem
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