Mitternacht
aneinanderstießen, um noch ein paar Sekunden schwaches und flackerndes Licht aus ihr herauszuholen.
Sie waren aus dem Flur in ein Chemielabor mit Labortischen mit schwarzen Marmorplatten und Metallspülbecken und hohen Holzstühlen getreten. Kein Versteck.
Sie sahen aus den Fenstern, ob vielleicht ein Dach direkt darunter verlief. Nein. Zwei Stockwerke hinunter bis zu einem Betonweg.
Am anderen Ende des Chemielabors befand sich eine Tür, durch die sie in ein drei mal drei Meter messendes Vorrats kämmerchen kamen, in dem Chemikalien in Dosen und Flaschen standen, auf manchen Etiketten befanden sich ein Totenschädel und überkreuzte Knochen, auf anderen stand mit grellroten Buchstaben GEFÄHRLICH. Sie vermutete, es gab Mittel und Wege, aus diesen Chemikalien eine Waffe zu basteln, aber sie hatten keine Zeit, die Inhalte zu erforschen und nach interessanten Stoffen zu suchen, die man zu einer Waffe zusammenbasteln konnte. Außerdem war sie in Naturwis senschaften nie besonders gut gewesen, konnte sich kaum noch an den Chemieunterricht erinnern und hätte sich wahrscheinlich mit der ersten Flasche, die sie aufmachte, selbst in die Luft gesprengt. Sie konnte Sams Gesichtsausdruck entnehmen, daß er ebensowenig Hoffnung sah wie sie.
Eine zweite Tür in der Vorratskammer führte in ein zweites Labor, das für den Biologieunterricht eingerichtet zu sein schien. Anatomiekarten hingen an den Wänden. Der Raum bot ebenso wenig ein Versteck wie der andere.
Tessa hielt Chrissie dicht an ihre Seite gedrückt, sah Sam an und flüsterte: »Was jetzt? Hier warten und hoffen, daß er uns nicht findet... oder in Bewegung bleiben?«
»Ich glaube, er ist sicherer, wenn wir in Bewegung bleiben«, sagte Sam. »Wenn wir warten, können sie uns leichter umzingeln.«
Sie nickte zustimmend.
Er ging an ihr und Chrissie vorbei und zwischen den La borbänken durch zum Flur.
Hinter ihnen, entweder im dunklen Lagerraum oder dem unbeleuchteten Chemielabor dahinter, ertönte ein leises, aber deutliches Klick.
Sam blieb stehen, winkte Tessa und Chrissie weiter und drehte sich dann zum Zugang der Vorratskammer um.
Tessa ging mit Chrissie zur Flurtür, drehte den Knopf leise und langsam herum und machte die Tür auf.
Shaddack trat aus der Dunkelheit des Flurs ins düstere und flackernde Licht ihrer Taschenlampe und drückte ihr den Lauf der Schrotflinte in den Magen. »Jetzt wird es euch leid tun«, sagte er aufgeregt.
27
Sie zogen die Falltür herunter. Licht fiel aus dem Kleiderschrank herauf und auf die Dachbalken, aber es erhellte nicht die Ecke, in der Harry mit seinen nutzlosen Beinen saß.
Er hatte die gelähmte Hand im Schoß liegen, während er mit der guten fest die Pistole umklammerte.
Sein Herz schlug schneller und heftiger als seit zwanzig Jahren, seit den Schlachtfeldern von Südostasien. Sein Magen kreiste. Sein Hals war so zugeschnürt, daß er kaum atmen konnte. Er war benommen vor Angst. Aber, Gott im Himmel, er fühlte sich eindeutig lebendig.
Sie zogen mit einem Quietschen und Poltern die Leiter herunter.
28
Tommy Shaddack schob ihr den Lauf in den Bauch und hätte ihr beinahe die Eingeweide herausgepustet, hätte sie beinahe vergeudet, bevor ihm klar wurde, wie schön sie war, und dann wollte er sie nicht mehr umbringen, jedenfalls nicht gleich, nicht bevor er sie gezwungen hatte, etwas mit ihm zu machen, etwas für ihn zu machen. Sie mußte tun, was immer er wollte, alles, was er ihr sagte, oder er konnte sie einfach an die Wand ballern, ja, sie gehörte ihm, und das sollte sie besser einsehen, sonst würde es ihr leid tun, er würde dafür sorgen, daß es ihr leid tun würde.
Dann sah er das Mädchen neben ihr, ein hübsches kleines Mädchen, erst zehn oder zwölf, und sie erregte ihn noch mehr. Er konnte sie zuerst haben, und dann die ältere, konnte mit ihnen machen, was er wollte, konnte sie zwingen, et' was zu machen, alles Mögliche, und dann konnte er ihnen wehtun, das war sein Recht, sie konnten es ihm nicht verweigern, nicht ihm, weil er jetzt alle Macht in Händen hielt, er hatte den Mondfalken dreimal gesehen.
Er trat durch die offene Tür ins Zimmer, ohne die Flinte vom Bauch der Frau zu nehmen, und sie wich zurück, um ihm Platz zu machen, und zog das Mädchen mit sich. Booker war hinter ihnen, er sah verblüfft drein. Tommy Shaddack sagte: »Lassen Sie die Waffe fallen und gehen Sie zu rück, sonst mache ich Himbeermarmelade aus diesem Flittchen, das schwöre ich, Sie können nicht so schnell
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