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Mitternacht

Mitternacht

Titel: Mitternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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Treppenhaus erzeugten die Türangeln oben ein kaum wahrnehmbares Quietschen von Metall. Der andere Mann hatte es offenbar satt, darauf zu warten, daß sie ein übertönendes Geräusch machte.
    Sie konnte nicht in den Flur gehen. Sie hatten sie zwischen sich gefangen.
    Sie könnte zwar schreien, um andere Gäste auf sich aufmerksam zu machen und den Männern einen Schrecken ein zujagen, aber sie zögerte, weil sie befürchtete, das Motel könnte so verlassen sein, wie es schien. Ihr Schrei brachte vielleicht keine Hilfe herbei, machte aber die Verfolger darauf aufmerksam, daß sie von ihnen wußte und sie nicht mehr vorsichtig sein mußten.
    Jemand kam die Treppe über ihr heruntergeschlichen. Tessa wandte sich vom Flur ab, trat zur Osttür und lief in die neblige Nacht hinaus, an der Seitenwand des Gebäudes entlang und zum Parkplatz, hinter dem die Cypress Lane lag. Dann lief sie keuchend an der Vo rderfront des Cove Lodge entlang zur Rezeption, die sich gegenüber der jetzt geschlossenen Cafeteria befand.
    Die Rezeption war geöffnet, die Schwelle war in das vom Nebel weichgemachte, diffuse Leuchten des rosa und gelben Neonschilds getaucht, und der Mann hinter der Theke war derselbe, bei dem sie sich vor ein paar Stunden angemeldet hatte. Er war groß und leicht untersetzt, etwa Mitte fünfzig, rasiert und mit ordentlich geschnittenen Haaren, aber dafür in einer etwas zerknittert wirkenden, braunen Cordhose und einem roten Flanellhemd. Er legte eine Zeitschrift weg, stellte die Countrymusik im Radio leiser, stand von seinem gepolsterten Bürostuhl auf und hörte ihr, stirnrunzelnd an die Theke gelehnt zu, wie sie, etwas zu atemlos, schilderte, was vorgefallen war.
    »Nun, dies ist keine große Stadt, Ma'am«, sagte er, als sie fertig war. »Moonlight Cove ist ein friedlicher Ort. Hier müssen Sie sich wegen so etwas keine Gedanken machen.« »Aber es war so«, beharrte sie und sah nervös in den neonbemalten Nebel, der in der Dunkelheit zwischen Rezeptionstür und Fenster trieb.
    »Oh, ich bin sicher, daß Sie jemand gehört oder gesehen haben, aber Sie haben die Situation sicher falsch interpre tiert. Wir haben ein paar Gäste. Die haben Sie gehört, und sie haben sich möglicherweise, genau wie Sie, nur etwas Eis und was zu trinken holen wollen.« Er hatte ein gütiges, großväterliches Aussehen, wenn er lächelte. »Es kann hier etwas unheimlich wirken, wenn nicht viele Gäste da sind.« »Hören Sie, Mister...«
    »Quinn. Gordon Quinn.«
    »Hören Sie, Mr. Quinn, es war ganz und gar nicht so.« Sie kam sich wie eine schrille, alberne Ziege vor, obwohl sie wußte, daß sie das nicht wahr. »Ich habe unschuldige Gäste nicht für Räuber und Vergewaltiger gehalten. Ich bin keine hysterische Frau. Diese Burschen hatten nichts Gutes im Sinn.«
    »Nun... also gut. Ich denke, daß Sie sich irren, aber wir wollen trotzdem einmal nachsehen.« Quinn kam durch eine Klappe in der Theke auf ihre Seite des Büros.
    »Wollen Sie einfach so gehen?« fragte sie.
    »Wie?«
    »Unbewaffnet?«
    Er lächelte wieder. Sie kam sich, wie schon zuvor, wieder albern vor.
    »Ma'am«, sagte er, »ich bin seit fünfundzwanzig Jahren Motelmanager und hatte noch nie einen Gast, mit dem ich nicht fertig geworden bin.«
    Quinns herablassender, väterlicher Tonfall erboste Tessa zwar, aber sie stritt nicht mit ihm, sondern folgte ihm aus dem Büro hinaus und durch den wallenden Nebel zum anderen Ende des Gebäudes. Er war groß, sie klein, daher fühlte sie sich ein wenig wie ein kleines Kind, das von einem Va ter, der ihr zeigen wird, daß kein Monster im Schrank oder unter dem Bett versteckt, in ihr Zimmer zurückbegleitet wird.
    Er machte die Metalltür auf, durch die sie aus dem nördlichen Treppenhaus geflohen war, und trat ein. Dort lauerte niemand.
    Der Getränkeautomat summte, von der Eismaschine ging ein leises Klappern aus. Ihr mit Halbmonden gefüllter Kübel stand immer noch obenauf.
    Quinn schritt durch den winzigen Raum zur Tür, die zum Erdgeschoßflur führte und zog sie auf. »Niemand da«, sagte er und nickte in den stillen Flur. Er machte auch die Tür in der Westwand auf und sah nach rechts und links. Er winkte sie auf die Schwelle und bestand darauf, daß sie sich ebenfalls vergewisserte.
    Sie sah einen schmalen, von einem Geländer begrenzten Weg, der an der rückwärtigen Fassade des Hauses zwischen dem Gebäude und dem Rand der Klippe entlang verlief und an jedem Ende von einer gelblichen Laterne erhellt wurde.

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