Mitternachtserwachen
ausgestatteten Gemach. Die satten Blautöne der Läufer, Kissen und des Bettbezuges durchbrachen das Cremeweiß der Wände, des Bodens und der Möbel. Eine Wand bestand aus Glas und ließ den Blick in einen Garten zu, von dem sie nur Schatten erkannte. Lior ging durch die Tür, stellte Aileen auf die Füße, umschlang sie mit einem Arm und schaltete die Lampen ein. Der Anblick raubte ihr den Atem. Sie stand in einem offenen Badezimmer, umgeben von Pflanzen, die sie niemals zuvor gesehen hatte, denn sie waren nicht grün, sondern leuchtend blau und violett und funkelten in dem weichen Licht. Aileen blinzelte, doch das Bild blieb das gleiche. Der helle Boden bestand aus einem Stein, den sie nicht kannte und der nachgiebig wie ein Teppich war.
Lior sah ihr in die Augen, und sie verlor sich in dem Augenblick. Er zog sie an, das konnte sie nicht länger verleugnen. Der Kerl besaß die grünsten Augen, die sie jemals gesehen hatte, und er wirkte so vertraut.
Ein hysterisches Prusten entwich ihr, weil es das verrückteste erste Date ihres Lebens war. Ohne Umschweife öffnete er den Reißverschluss seiner Lederjacke, die sie anhatte, zog sie ihr aus, und ihre eigene nasse Jacke folgte. Er griff nach ihrem Shirt. Ihre Zähne klapperten aufeinander, und sie suchte noch nach Worten, da hatte er es ihr bereits über den Kopf gezogen.
Er zog sie aus! Irgendwie war es, als sei ihr Gehirn nicht im Einklang mit den Geschehnissen. Sie trug keine hübschen Dessous, sondern einen bequemen schwarzen Baumwoll-BH, der ihr seit vielen Jahren treue Dienste leistete. Der blödsinnige Gedanke sprang an die Oberfläche ihres umnebelten Hirns. Und sie war übersät mit Sommersprossen, hatte das Cardiotraining vernachlässigt, und ihr Körper war weit entfernt von Photoshopperfektion!
Er machte ein Gesicht, als unterdrücke er ein Grinsen. Die Lachfältchen um seine Augen zeigten deutlich, dass er gern lachte. Nur die Erinnerung daran, mit welchem Hass er sie vorhin angesehen hatte, jagte ihr einen Schauder über die Wirbelsäule, der diesmal nichts mit ihrem unterkühlten Leib zu tun hatte. Sein Ausdruck wirkte sanfter, und er umfasste ihren Nacken.
„Deine Haut ist ganz blau, kleine Blume.“ Seine Stimme hatte einen beruhigenden Unterton, der sich tröstend auf sie legte.
Er sollte es bloß nicht wagen, seine viel zu kräftigen Hände dazu zu benutzen, ihr die Jeans auszuziehen! Den Rest würde sie allein schaffen. Wenn doch nur ihre Beine endlich gehorchen würden. Aber nein, sie konnte kaum stehen. Schock und Kälte zwangen sie fast auf die Knie. Lior zögerte nicht, und ihre Hose hing ihr bis zu den Knöcheln.
Er setzte sie auf eine Rattantruhe, um ihr die Turnschuhe von den Füßen zu streifen, gefolgt von der Jeans. Wieso fror er nicht? Er war noch durchnässter als sie und trug nur ein T-Shirt, welches wie eine zweite Haut an seinem beeindruckenden Brustkorb klebte. Der Boden lag angenehm warm und samtig unter ihren Fußsohlen.
Ihren Versuch, seine Hände wegzuschieben, vereitelte er, indem er ihre Handgelenke mühelos festhielt, und genauso wenig Mühe bereitete es ihm, ihren BH einhändig zu öffnen. Der nasse Stoff landete auf dem Boden. Sie unterdrückte den Reiz, ihre Brüste zu bedecken, da es albern erschien. Wahrscheinlich teilte jede Nacht eine andere Frau sein Bett, so wie er aussah. Eine gefährliche Mischung aus Ruchlosigkeit und einer sexy Ausstrahlung, wie das düstere Gegenstück eines dieser schrecklichen Buchcover, die Wikingerromane zierten, in denen der Held eine Jungfrau entführte und die sie zu Dutzenden verschlungen hatte.
Zu allem Überfluss drohten erneut hysterische Tränen zu fließen. Er schien genau zu wissen, dass sie kurz davor stand, zusammenzubrechen. Er drehte das Wasser auf, zog ihr den Slip herunter und schob sie in die offene Dusche. Seine Berührungen waren sanft und doch autoritär. Sie ahnte, er würde sich nicht davon abhalten lassen, mit ihr zu tun, was er für das Beste für sie hielt. Und sie war zu durchgefroren und durcheinander, um sich ernsthaft zu wehren. Zudem tat seine Nähe ihr gut. Sie vermochte sich einfach nicht zu helfen.
Er musterte ihren Körper, fand bestimmt, dass sie langweilig wirkte mit der hellen Haut, den vielen Punkten und der unspektakulären Figur. Wenn sie ein Tier wäre, dann wäre sie eine zu kurz geratene Giraffe. Er traf ihren Blick und lächelte. Gott! Jetzt war sie restlos verloren. Ein grimmiger Lior war bereits unwiderstehlich, aber ein lächelnder
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