Mitternachtserwachen
ihn.
„Sag mir, wer hinter alldem steckt, und ich lasse Draehda sofort den Schmerz von dir nehmen.“ Babylonus trat zurück.
„Urmarb …“ Ehe er weitersprechen konnte, fing sein Körper von innen heraus an zu leuchten, und er zerbarst in Flammen, bis sogar seine Knochen zerbröselten.
Verdammte Scheiße! Er war mit einem mächtigen Zauber belegt gewesen, der bei dem ersten Wort seines Verrats aktiviert worden war.
Doch Lior wusste, was er hatte sagen wollen. Sie hatten es mit der Urmarbhadair und dem Hexer zu tun, von denen alle Jägerinnen abstammten. Und Ralph hatte sie erweckt, entweder freiwillig oder sie hatten ihn in ihren Bann gezogen.
Wie auf Bestellung stürmten Nosferat und Kendrick in die Halle, gefolgt von der Schattengestalt, die einmal die gute Seite von Ralph gewesen war. Kendrick wirkte, als könne er sich gerade noch davon abhalten, Nosferat auf der Stelle zu häuten. „Du hast es gewusst!“, brüllte er und ging Mephistopheles an die Gurgel.
Aileen hielt sich mit den Händen an der Kante der Bahre fest und starrte Ralph an, der auf der Türschwelle stand und sie anlächelte, mit einem Lächeln, das ihr eine Armada Eiswürfel über den Leib jagte. Ihr war, als hätte ihr jemand mit Wucht in den Magen geschlagen. Sie sahen sich für eine endlos erscheinende Zeit an, festgefroren in ihren Emotionen. Aileen wollte schreien vor Glück, dass Ralph lebte, doch das war falsch, weil er nicht leben konnte. Sie selbst hatte ihn identifiziert, seinen erbleichten starren Körper gesehen. Der Anblick hatte sich auf ewig in ihr Gehirn gefressen. Seine Augen, die sie immer an einen goldenen Herbsttag erinnert hatten, wirkten jetzt leblos und kalt, beinahe schwarz. Sie zerrten an ihr wie ein Sog, der einen arglosen Schwimmer in das eisige Meer hinauszog. Er streckte seine Arme einladend aus, und sie versuchte aufzustehen, wollte ihn berühren, um diese schreckliche Lähmung abzuschütteln, sich davon überzeugen, dass es wirklich Ralph war, der vor ihr stand, und kein Truggespinst. Wenn sie ihn anfasste, seine Wärme fühlte, würde sie wissen, dass es ihr Ralph war, den sie viele Jahre über alles geliebt hatte, dessen Tod sie beinahe vor Trauer zerstört hätte.
Aber es konnte nicht sein!
„Freust du dich nicht, mich zu sehen, meine süße Aileen?“
Seine Stimme war so entseelt, als hätte sie keine Schwingungen mehr und bestünde aus toten Silben. Das ohnehin herzlose Lächeln wurde bedrohlich und zeigte ihr deutlich, wenn sie nicht freiwillig zu ihm ginge, würde er sie holen und ihr Schmerzen zufügen. Aileen stieß sich von der Kante ab und lief auf das Ralphding zu, erreichte es, und seine Arme legten sich um sie, hüllten sie ein mit Entsetzen und einer Furcht, die ihr die Sinne raubte.
Er fasste nach ihrem bandagierten Handgelenk, drückte fest zu und ergötzte sich sichtlich an der Pein, die ihren Arm hochjagte.
Mit ihrer ganzen Willenskraft widerstand sie dem Verlangen, ihre zitternde Hand aus seinem Griff zu befreien, weil sie ahnte, wenn sie sich ihm widersetzte, würde er ihr ohne mit der Wimper zu zucken Leid zufügen, die Norganas Behandlung wie einen Strandspaziergang wirken lassen würden.
„Aileen! Man könnte meinen, du hättest Angst vor mir.“
Mit Bedacht entfernte er die Bandage und führte ihre Hand zu seinem Mund.
Bitte beiß mich nicht!
Sie wusste nicht, weshalb sie sich auf einmal davor fürchtete. Nach ihren ganzen Erlebnissen in der letzten Zeit empfand sie es nicht als abwegig, sollte er jetzt ein Blutsauger sein. Das wäre eine Erklärung, wenn auch keine logische, wieso der tote Ralph vor ihr stand. Er war mehr tot als lebendig, das entstellte Abziehbild des Ralphs, den sie geliebt hatte. Doch Lior hatte ihr gesagt, Vampire des Lichts und der Dunkelheit konnten nur geboren, nicht erschaffen werden.
Angeekelt sah sie auf seine Zunge, die zwischen seinen Lippen hervorkam, und das schwarze widerliche Ding leckte über ihr aufgeschürftes Handgelenk, kostete schlürfend ihr Blut. Und sein Gestank nach Verwesung! Sie konnte das nicht ertragen, zerrte ihre Hand zurück, und Ralph schlug ihr unvermittelt und derart hart ins Gesicht, dass sie zu Boden stürzte.
Das Nachthemd rutschte hoch, und mit Gier starrte er auf ihre Beine. Er schien sich kaum beherrschen zu können, und ihr Widerstand würde ihr nicht gut bekommen.
„Liebster“, hauchte sie, wo sie ihm mit Freuden angespuckt hätte.
Ein Ruck lief durch seinen Leib, und er zog sie grob auf die Füße,
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