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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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könnte sich auch um ein Gerät handeln, das anfliegende Bomber entdeckt, bevor sie in Sicht kommen.«
    »Ich habe gehört, dass wir solche Geräte besitzen, habe aber keine Ahnung, wie sie funktionieren.«
    »Es gibt drei Möglichkeiten: Infrarot, Lidar und Radar. Infrarot-Detektoren spüren die von den heißen Triebwerken oder vielleicht auch von den Abgasen ausgehende Wärmestrahlung auf. Lidar basiert auf vom Suchgerät ausgesandten Lichtimpulsen, die vom Flugzeug reflektiert werden. Radar arbeitet nach dem gleichen Prinzip, aber mit elektromagnetischen Weilen.«
    »Mir fällt gerade noch etwas anderes ein«, sagte Hermia. »Heimdall kann hundert Meilen weit sehen – nachts genauso wie am Tag.«
    »Das klingt dann doch sehr nach einem Gerät.«
    »Den Eindruck habe ich auch.«
    Hoare trank seinen Tee aus und stand auf. »Wenn Ihnen noch was zu dem Thema einfällt, lassen Sie es mich dann bitte wissen?«
    »Selbstverständlich. Wo erreiche ich Sie?«
    »Number Ten, Downing Street.«
    »Oh!« Dort residierte der Premierminister. Hermia war beeindruckt.
    »Goodbye.«
    »Goodbye«, sagte sie und sah ihm nach.
    Hermia Mount blieb noch ein paar Minuten am Tisch sitzen. Das Gespräch war in mehrfacher Hinsicht interessant gewesen. Digby Hoare war an höchster Stelle angesiedelt: Der Premierminister persönlich musste wegen der hohen Verlustrate bei den Bombern besorgt sein. Und es stellte sich die Frage, ob der Codename Freya willkürlich gewählt worden war oder ob es tatsächlich eine Verbindung nach Skandinavien gab.
    Über Hoares Frage, ob sie mit ihm ausgehen wolle, hatte sie sich gefreut. Sie hatte zwar nicht die Absicht, mit anderen Männern als mit ihrem Verlobten auszugehen, aber es war allemal nett, gefragt zu werden.
    Nach einer Weile machte sie der Anblick ihrer unverzehrten Mahlzeit trübsinnig. Sie brachte das Tablett zur Ablage, kippte das Essen in den Schweineeimer und verschwand in der Toilette.
    Sie war gerade dabei, das stille Örtchen zu verlassen, als sie hörte, wie mehrere junge Frauen den Vorraum betraten und sich angeregt unterhielten. Eine von ihnen sagte: »Na, dieser Digby Hoare lässt wirklich nichts anbrennen. Das ist wohl einer von der schnellen Truppe.«
    Hermia, deren Hand bereits auf der Türklinke lag, erstarrte.
    »Ich hab gesehen, wie er sich an Miss Mount rangemacht hat«, sagte eine ältere Stimme. »Er fliegt offenbar auf große Titten.«
    Die anderen kicherten. Hermia gefiel die Anspielung auf ihre üppige Figur weniger; ihre Miene verdüsterte sich.
    »Ich glaube aber, sie hat ihn abblitzen lassen«, erwiderte die Erste.
    »Würdest du das nicht auch? Ich glaube nicht, dass ich einen Mann mit einem Holzbein haben möchte.«
    Eine dritte junge Frau meldete sich zu Wort. Sie hatte einen schottischen Akzent. »Ich frag mich, ob er das beim Vögeln abnimmt«, sagte sie, und alle lachten.
    Hermia hatte genug gehört. Sie öffnete die Tür, trat hinaus und blaffte: »Wenn ich‘s weiß, erzähl ich‘s euch!«
    Die drei Frauen brachten vor Schreck kein Wort mehr heraus. Ehe sie sich von ihrem Schock erholen konnten, war Hermia verschwunden.
    Sie verließ die Baracke. Die weite grüne Rasenfläche mit ihren Zedern und dem Schwanenteich war durch die hastig zusammengebauten Hütten entstellt worden, in denen seit der Übersiedlung aus London mittlerweile Hunderte von Angestellten untergebracht waren. Hermia ging durch den Park zum Haupthaus, einer aus roten Backsteinen errichteten, reich verzierten Villa im viktorianischen Stil. Sie betrat das Gebäude durch das große Portal und begab sich auf schnellstem Wege zu ihrem Büro, einem winzigen, L-förmigen Zimmerchen im alten Dienstbotenflügel – wahrscheinlich die ehemalige Stiefelkammer. Es verfügte über ein einziges kleines Fenster, das aber zu hoch saß, als dass man es zum Hinausschauen hätte nutzen können. Hermia musste auch tagsüber stets bei Kunstlicht arbeiten. Auf dem Schreibtisch stand ein Telefon, auf einem Beitischchen eine Schreibmaschine. Ihr Vorgänger hatte eine Sekretärin gehabt – doch von Frauen wurde erwartet, dass sie ihre Schreibarbeiten selbst erledigten.
    Ein Päckchen aus Kopenhagen lag auf dem Schreibtisch.
    Nach dem Einmarsch Hitlers in Polen hatte Hermia Mount die Grundlagen für ein kleines Spionagenetz in Dänemark geschaffen. Es wurde von Poul Kirke geleitet, einem Freund ihres Verlobten. Er hatte eine Gruppe von jungen Männern zusammengezogen, die allesamt der Meinung waren, dass ihr kleines

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