Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
war ihm sogar gelungen, sie zu überraschen. Dass Männer Hermia als schön bezeichneten, kam nur selten vor – hie und da als gut aussehend, manchmal als auffallend, oft als imposant. Ihr Gesicht bildete ein schmales, absolut ebenmäßiges Oval, doch dazu kamen die strenge, dunkle Frisur, Augen mit schweren Lidern und eine Nase, die etwas zu groß war, um hübsch genannt zu werden. Hermias Schlagfertigkeit ließ sie im Stich. »Und zweitens?«, fragte sie.
    Hoare wich ihrem Blick aus. An ihrem Tisch saßen noch zwei ältere Frauen, die sich zwar angelegentlich unterhielten, wahrscheinlich aber mit halbem Ohr das Gespräch zwischen ihm und Hermia mithörten. »Sofort«, sagte er. »Würden Sie gerne einen draufmachen?«
    Die nächste Überraschung. »Wie bitte?«
    »Würden Sie mit mir ausgehen?«
    »Auf keinen Fall!«
    Sekundenlang wirkte Hoare wie betäubt, dann kehrte sein Grinsen zurück, und er sagte: »Versüßen Sie die bittere Pille nicht, sagen Sie es mir klar und deutlich.«
    Sie musste unwillkürlich lächeln.
    Er gab noch nicht auf. »Wir könnten ins Kino gehen. Oder ins Shoulder-of-Mutton-Pub in Old Bletchley. Oder in beides.«
    Hermia schüttelte den Kopf. »Nein, danke«, sagte sie in einem Ton, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ.
    »Au weh.« Aller Mut schien ihn verlassen zu haben.
    Meint er, ich weise ihn zurück, weil er eine Behinderung hat, dachte Hermia erschrocken und bemühte sich um eine Richtigstellung. »Ich bin verlobt«, sagte sie und zeigte ihm den Ring an ihrer linken Hand.
    »Oh, den habe ich übersehen.«
    »Ja, wie alle Männer.«
    »Wer ist denn der Glückspilz?«
    »Ein Pilot in der dänischen Armee.«
    »Drüben, oder?«
    »Soweit ich weiß, ja. Ich habe seit einem Jahr nichts mehr von ihm gehört.«
    Die beiden älteren Frauen erhoben sich und gingen, worauf sich Digby Hoares Verhalten schlagartig änderte. Seine Miene war mit einem Mal ernst, und seine Stimme klang ebenso leise wie eindringlich. »Sehen Sie sich das hier doch bitte mal an«, sagte er, zog ein dünnes Blatt Papier aus der Tasche und reichte es Hermia.
    Zettel dieser Art hatte sie in Bletchley Park schon früher gesehen, und ihre Vermutung bestätigte sich: Es handelte sich um einen entschlüsselten Funkspruch.
    »Ich denke, dass ich Sie nicht eigens darauf hinweisen muss, wie furchtbar geheim dieser Vorgang ist«, sagte Hoare.
    »Nein.«
    »Ich gehe davon aus, dass Sie nicht nur Dänisch, sondern auch Deutsch sprechen.«
    Hermia nickte. »In Dänemark lernen alle Kinder Deutsch in der Schule, dazu noch Englisch und Latein.« Sie las die Botschaft aufmerksam durch. »Nachrichten von Freya?«
    »Das ist der Punkt, der uns Kopfzerbrechen bereitet, ja. Ein deutsches Wort ist das nicht, aber ich dachte mir, dass es vielleicht aus einer skandinavischen Sprache stammt.«
    »Ja, in gewisser Weise schon«, erwiderte sie. »Freya ist eine nordische Göttin, sozusagen die Venus der Wikinger, die Göttin der Liebe.«
    »Aha!«, sagte Hoare nachdenklich. »Das ist immerhin schon etwas – nur, sehr viel weiter bringt es uns auch nicht.«
    »Worum geht es denn eigentlich?«
    »Wir verlieren zu viele Bomber.«
    Hermia runzelte die Stirn. »In der Zeitung stand, dass der letzte große Angriff sehr erfolgreich gewesen sei.«
    Hoare sah sie nur wortlos an.
    »Ach so«, sagte sie. »Ihr sagt der Presse nicht die Wahrheit.«
    Hoare schwieg.
    »Demnach ist mein Bild von den Bombenangriffen ein Produkt eurer Propaganda«, fuhr Hermia fort. »In Wirklichkeit sind sie ein totaler Fehlschlag.« Zu ihrer Bestürzung widersprach Digby Hoare ihr nicht einmal jetzt. »Um Himmels willen, wie viele Maschinen haben wir denn schon verloren?«
    »Fünfzig Prozent.«
    »O Gott!« Hermias Blick schweifte ab. Einige dieser Piloten haben Verlobte, dachte sie. »Aber wenn das so weitergeht.«
    »Genau.«
    Ihr Blick fiel wieder auf den Funkspruch. »Ist Freya ein Spion?«
    »Das herauszufinden ist meine Aufgabe.«
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Erzählen Sie mir noch was über diese Göttin.«
    Hermia versuchte sich zu erinnern. Sie hatte die Sagen der nordischen Götterwelt in der Schule gelernt – aber das war lange her. »Freya besitzt ein sehr wertvolles goldenes Halsband. Vier Zwerge haben es ihr geschenkt. Es wird gehütet vom Wächter der Götter. Heimdall, ja, ich glaube, er heißt Heimdall.«
    »Wächter? Das macht Sinn.«
    »Freya könnte ein Spion sein, der Vorausinformationen über die Luftangriffe hat.«
    »Es

Weitere Kostenlose Bücher