Mitternachtsfalken: Roman
gerade auf seinen Sitz, als er eine plötzliche Bewegung wahrnahm. Durch das offene Fenster auf Karens Seite sah er, wie Hauptmann Kleiss auf das Flugzeug zustürzte und sich dann auf den Boden warf. Ein ohrenbetäubender Knall übertönte das Röhren des Motors: Karen hatte auf Kleiss geschossen, doch der hohe Fensterrahmen hinderte sie daran, ihr Handgelenk tief genug zu senken,
sodass der Schuss sein Ziel verfehlte.
Kleiss rollte sich unter dem Rumpf der Maschine durch, kam auf der anderen Seite wieder heraus und sprang auf die Tragfläche.
Harald versuchte, die Tür zuzuknallen, doch Kleiss war im Weg. Der Hauptmann packte Harald am Revers und versuchte ihn aus seinem Sitz zu zerren. Karen, die die Pistole in der linken Hand hielt, konnte sich in der engen Kabine nicht so weit herumdrehen, dass sie auf Kleiss hätte schießen können. Nun war auch Leo aus seiner Starre erwacht, kam aber nicht nah genug heran, um in den Kampf eingreifen zu können.
Harald zog den Schraubenschlüssel aus seiner Hosentasche und schlug damit zu, so heftig er konnte. Das scharfe Ende traf Kleiss unter dem Auge. Blut strömte aus der Wunde, doch der Hauptmann ließ nicht locker.
Karen griff an Harald vorbei und schob den Gashebel bis zum Anschlag vor. Der Motor heulte auf, und das Flugzeug machte einen Satz nach vorn. Kleiss geriet ins Taumeln. Er streckte den freien Arm aus und versuchte rudernd das Gleichgewicht zu wahren. Mit der anderen Hand klammerte er sich hartnäckig an Harald fest.
Die Hornet Moth wurde schneller und rumpelte über das Gras. Harald schlug ein zweites Mal mit dem Schraubenschlüssel zu, und diesmal schrie Kleiss auf, lieft Harald los und stürzte von der Tragfläche.
Harald knallte die Tür zu und griff nach dem Steuerknüppel zwischen den Sitzen, doch Karen sagte: »Überlass den mir – das schaff ich auch mit links!«
Die Maschine hatte die Zufahrt erreicht, doch als sie schneller wurde, driftete sie nach rechts. »Benutz das Ruder!«, schrie Karen. »Halt das Ding gerade!«
Harald trat auf das linke Pedal, um das Flugzeug auf den Weg zurückzusteuern. Als nichts geschah, drückte er das Pedal mit aller Kraft durch. Einen Augenblick später machte das Flugzeug einen Satz nach links, überquerte den Fahrweg und raste dann durch das ungemähte Gras auf der anderen Seite.
Karen schrie: »Du musst die Verzögerung mit einberechnen!«
Er verstand, was sie meinte. Es war wie beim Steuern eines Bootes, nur schlimmer. Er drückte das andere Pedal mit dem rechten Fuß. Sobald das Flugzeug die Richtung zu ändern begann, korrigierte er mit dem linken. Dieses Mal brach die Maschine nicht aus. Sie rollte wieder auf den Fahrweg, und diesmal gelang es Harald, sie in der Spur zu halten.
»Jetzt bleib auf Kurs!«, rief ihm Karen zu.
Die Maschine beschleunigte.
Unten an der Schlosszufahrt flammten die Scheinwerfer eines Autos auf.
Peter Flemming legte den ersten Gang ein und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch. Im selben Moment, als Tilde die Beifahrertür öffnete und einsteigen wollte, preschte der Wagen los. Mit einem Schrei ließ sie die Tür los und fiel zu Boden. Flemming hoffte, dass sie sich dabei das Genick gebrochen hatte.
Mit der hin und her schlenkernden Beifahrertür fuhr er auf das Schloss zu. Erst als der Motor zu kreischen begann, schaltete er in den zweiten Gang. Der Buick wurde schneller und schneller.
Im Licht der Scheinwerfer rollte ein kleiner Doppeldecker die Auffahrt herunter und hielt direkt auf ihn zu. In diesem Flugzeug sitzt Harald Olufsen, dachte er und war sich seiner Sache absolut sicher. Ich werde ihn aufhalten, und wenn wir beide dabei draufgehen.
Er schaltete in den dritten Gang.
Harald spürte, wie sich die Hornet Moth nach vorne neigte, als Karen den Steuerknüppel vorschob und damit den Schwanz der Maschine hob. »Siehst du den Wagen?«, brüllte er.
»Ja – will der uns rammen?«
»Ja.« Harald starrte vor sich auf den Fahrweg und konzentrierte sich darauf, das Flugzeug mit den Ruderpedalen auf Kurs geradeaus zu halten. »Können wir noch rechtzeitig abheben und über ihn wegfliegen?«
»Ich weiß nicht.«
»Entscheide dich, aber schnell!«
»Mach eine Kurve, sobald ich‘s dir sage!«
»Ich bin bereit!«
Das Auto war nun gefährlich nahe, und Harald erkannte, dass es mit dem Abheben nicht mehr klappen würde. Karen schrie: »Kurve nach links!«
Er drückte das linke Pedal hinunter. Die Maschine, die bei höherer Geschwindigkeit weniger träge reagierte,
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