Mitternachtsfalken: Roman
»Vierzehnhundertdreißig Meter.«
»Dann ist die Wolke ungefähr fünfzehnhundert hoch.«
Wenige Augenblicke später schien es, als wäre die Hornet Moth rundum von Rauch umgeben, und Harald merkte, dass sie in die Wolke hineingeflogen waren.
»Behalt das Licht auf dem Geschwindigkeitsmesser«, sagte Karen. »Und gib mir Bescheid, wenn sich die Geschwindigkeit ändert.«
»Warum?«
»Beim Blindflug ist es schwierig, die Maschine gerade zu halten.
Kann sein, dass ich die Nase hebe oder senke, ohne es zu merken. Aber wenn es passiert, erkennt man es daran, dass die Geschwindigkeit zu- oder abnimmt.«
Nichts sehen zu können machte Harald furchtbar nervös. Auf diese Weise passieren wahrscheinlich dauernd Unfälle, dachte er. Bei so einem Flug durch die Wolken kracht man leicht gegen einen Berg. Zum Glück gibt es in Dänemark keine Berge. Aber wenn eine andere Maschine zufällig dieselbe Wolke durchfliegt? Das merken die Piloten doch erst, wenn es längst zu spät ist.
Nach einigen Minuten drang so viel Mondlicht durch die Wolke, dass man kleine Wirbel vor den Fenstern erkennen konnte. Kurz darauf ließen sie zu Haralds großer Erleichterung die Wolke hinter sich, und Harald konnte auf der Wolke unter ihnen den Mondschatten der Hornet Moth erkennen.
Karen schob den Steuerknüppel leicht nach vorn und beendete den Steigflug. »Siehst du den Drehzahlmesser?«
Harald knipste die Taschenlampe an. »Zweitausend zweihundert.«
»Nimm das Gas leicht zurück, bis er auf neunzehnhundert fällt.«
Harald befolgte die Anweisung.
»Wir ändern unsere Höhe mit der Gashebelstellung«, erklärte sie. »Gib Gas, und wir steigen – nimm Gas weg, und wir sinken.«
»Und wie kontrollieren wir dann unsere Geschwindigkeit?«
»Durch die Fluglage der Maschine. Nase runter zur Beschleunigung, Nase rauf, um langsamer zu werden.«
»Kapiert.«
»Aber geh nie zu schnell mit der Nase hoch, sonst überziehst du. Das heißt, du verlierst Auftrieb, und das Flugzeug fällt vom Himmel.«
Allein schon den Gedanken daran fand Harald entsetzlich. »Und was tust du dann?«
»Nase runter, Drehzahl hoch. Das ist leicht – bloß dass dir dein Instinkt sagt, du solltest mit der Nase hochgehen, und das macht‘s dann noch schlimmer.«
»Werd ich mir merken.«
»Übernimm du jetzt den Steuerknüppel für eine Weile«, sagte Karen. »Sieh zu, dass du die Maschine auf geradem Kurs und ruhig
hältst. Also, du übernimmst die Kontrolle.«
Harald umfasste mit der rechten Hand den Steuerknüppel.
Karen erklärte: »Du musst jetzt sagen: ›Ich übernehmen Damit verhindert man, dass Pilot und Kopilot in eine Situation geraten, in der jeder glaubt, der jeweils andere fliege die Maschine.«
»Ich übernehme«, sagte Harald, fühlte sich aber ganz und gar nicht so. Die Hornet Moth führte ein Eigenleben, drehte und tauchte mit den Luftturbulenzen, und es bedurfte seiner ganzen Konzentration, die Tragflächen gerade und die Nase in ein und derselben Position zu halten.
»Hast du den Eindruck«, fragte Karen, »dass du den Steuerknüppel ständig ein bisschen zurückziehst?«
»Ja.«
»Das liegt daran, dass wir schon etwas Treibstoff verbrauch und damit den Schwerpunkt der Maschine verlagert haben Siehst du den Hebel da vorne in der Ecke über deiner Tür?«
Harald schaute kurz auf. »Ja.«
»Das ist der Trimmhebel fürs Höhenleitwerk. Bis jetzt, also zum Starten, als der Tank noch voll und der Schwanz schwer war, hab ich ihn immer wieder vorgerückt. Jetzt muss die Maschine neu ausgetrimmt werden.«
»Und wie machen wir das?«
»Ganz einfach. Halt den Steuerknüppel ganz locker. Spürst du, dass er von ganz allein nach vorne drängt?«
»Ja.«
»Zieh den Trimmhebel zurück. Dann brauchst du nicht mehr ständig Gegendruck auf den Steuerknüppel auszuüben.«
Karen hatte Recht.
»Justiere den Trimmhebel, bis du keinen Druck mehr am Steuerknüppel fühlst.«
Harald zog den Trimmhebel stückchenweise zurück, und bevor er sich‘s versah, drückte sich der Knüppel zurück in seine Hand. »Zu viel«, sagte er und schob den Trimmhebel wieder ein Stückchen vor. »So kommt‘s ungefähr hin.«
»Du kannst auch das Ruder trimmen, wenn du am Knopf unter dem Instrumentenbrett drehst. Wenn die Maschine korrekt getrimmt ist, müsste sie geradeaus fliegen und die Höhe halten ohne dass man den Druck am Knüppel spürt.«
Probehalber nahm Harald die Hand vom Steuerknüppel. Die Hornet Moth flog geradeaus.
Er legte seine Hand wieder auf den
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