Mitternachtsfalken: Roman
Familien Olufsen und Flemming entzweite. Alles hatte damit begonnen, dass Axel Flemming, Peters Vater, wegen Steuerhinterziehung angeklagt wurde. Axel hielt das Verfahren für eine Unverschämtheit: Er hatte doch nur getan, was alle taten, indem er überhöhte Kosten geltend machte und damit seine steuerpflichtigen Einkünfte in unzulässiger Weise reduzierte. Er wurde verurteilt und musste zusätzlich zu der Steuernachzahlung eine saftige Geldstrafe berappen.
Seinen Freunden und Nachbarn hatte Axel Flemming weisgemacht, dass es sich bei dem Verfahren um ein Buchhaltungsproblem handelte und nicht um den Vorwurf betrügerischer Machenschaften. Doch dann hatte sich Pastor Olufsen eingemischt.
Es gab eine kircheninterne Vorschrift, nach der jedes Mitglied, das ein Verbrechen begangen hatte, im Gottesdienst »verlesen« und aus der Gemeinde ausgeschlossen wurde. Am folgenden Sonntag durfte der Übeltäter, wenn er wollte, wieder teilnehmen, doch eine Woche lang war er ein Ausgestoßener. Bei kleineren Vergehen wie einem Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens kam diese Regel nicht zur Anwendung, und Axel Flemming war davon ausgegangen, dass auch sein Fall in diese Kategorie fiel. Pastor Olufsen aber war da anderer Meinung.
Die Erniedrigung war für Axel viel schlimmer als die Strafe, die das Gericht über ihn verhängt hatte: Sein Name wurde verlesen; er hatte seinen angestammten Platz verlassen und den Rest des Gottesdienstes auf einer der hinteren Bänke verbringen müssen. Die Demütigung wurde vollendet durch das Thema der Predigt, das sich um das Bibelwort »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist« rankte.
Peter zuckte jedes Mal zusammen, wenn ihn die Erinnerung an diese Szene überkam. Sein Vater war stolz auf seine Position als erfolgreicher Geschäftsmann und Gemeindevorstand gewesen. Dass er die Achtung seiner Nachbarn und Mitbürger verlor, war die furchtbarste Bestrafung, die man ihm antun konnte. Für Peter Flemming war die öffentliche Abkanzelung seines Vaters durch einen aufgeblasenen, selbstgerechten Kerl wie Pastor Olufsen die reinste Folter gewesen. Seiner Meinung nach hatte sein Vater eine Strafe verdient, aber nicht diese Demütigung in der Kirche. Er hatte sich damals geschworen, dass er, sollte er jemals ein Mitglied der Familie Olufsen bei einem Gesetzesverstoß ertappen, keine Gnade zeigen würde.
Dass Arne in die Spionageaffäre verwickelt war, wagte er kaum zu glauben – es wäre einfach zu schön gewesen, um wahr zu sein.
Arne hatte ihn gesehen. »Peter!« Er wirkte überrascht, schien aber keine Angst zu haben.
»Arbeitest du hier?«, fragte Flemming.
»Ja, wenn es was zu arbeiten gibt.« Arne war so unbefangen und locker wie eh und je. Wenn er ein schlechtes Gewissen hatte, so verbarg er es sehr gut.
»Natürlich, du bist ja Pilot.«
»Das ist eine Flugschule hier, aber wir haben zurzeit nicht viele Schüler. Aber zur Sache: Was tust du denn hier?« Arne musterte den Major in deutscher Uniform, der hinter Peter stand. »Hat sich ein gefährlicher Ausbruch von Straßenverschmutzung ereignet – oder ist jemand nachts ohne Licht durch die Gegend geradelt?«
Flemming fand Arnes Stichelei nicht sehr komisch. »Eine Routineuntersuchung«, sagte er knapp. »Wo finde ich den befehlshabenden Offizier?«
Arne deutete auf eines der niedrigen Häuser. »Da drüben ist das Stabsgebäude. Wendet euch an Flugplatzkommandant Renthe.«
Flemming und seine Begleiter betraten das Gebäude. Renthe war ein schlaksiger Mann mit einem borstigen Schnauzbart und einem griesgrämigen Gesichtsausdruck. »Ich bin hier, um einen Ihrer Männer zu vernehmen, einen Leutnant Poul Kirke.«
Der Flugplatzkommandant sah demonstrativ Major Schwarz an und fragte: »Wo liegt das Problem?«
Das geht Sie einen feuchten Kehricht an, wollte Flemming sagen, doch er hatte sich fest vorgenommen, ruhig zu bleiben, und antwortete daher mit einer höflichen Lüge: »Er ist der Hehlerei verdächtig.«
»Wenn Angehörige des Militärs eines Vergehens verdächtigt werden, ziehen wir es vor, die Angelegenheit intern zu untersuchen.«
»Selbstverständlich. Aber.« Flemming verwies mit einer Handbewegung auf Schwarz. »Unsere deutschen Freunde wollen, dass sich die Polizei um den Fall kümmert. Ihre Präferenzen sind daher ohne Belang. Hält sich Kirke gegenwärtig auf dem Stützpunkt auf?«
»Er ist gerade in der Luft.«
Flemming zog eine Braue hoch. »Ich dachte, es besteht ein Flugverbot.«
»Generell ja. Aber es gibt
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