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Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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fiel zu Boden, rollte sich ab und blickte nach oben.
    Die Tiger Moth stieg. Weder die Pistolenkugeln noch die brennende Zigarre hatten etwas bewirkt. Er hatte versagt.
    Würde Kirke die Flucht gelingen? Die Luftwaffe würde ihm sofort die beiden Messerschmitts hinterherschicken, aber bis die in der Luft waren, vergingen wertvolle Minuten, und die Tiger Moth wäre schon außer Sicht. Kirkes Treibstofftank war beschädigt, doch wenn sich die Löcher im Tank nicht am unteren Ende befanden, blieb ihm möglicherweise noch genug Sprit, um über die Meeresenge ins nur etwa fünfunddreißig Kilometer entfernte Schweden zu entkommen. Außerdem wurde es zusehends dunkler.
    Kirke hat durchaus eine Chance, dachte Flemming verbittert.
    Plötzlich ertönte das Geräusch eines aufbrausenden Feuers, und aus dem Cockpit schoss eine Stichflamme.
    Sie verbreitete sich mit gespenstischer Geschwindigkeit über den noch sichtbaren Kopf und die Schultern des Piloten, dessen Kleidung mit Treibstoff durchtränkt sein musste. Die Flammen leckten über den Rumpf nach hinten und fraßen sich in Windeseile durch die Bespannung.
    Ein paar Sekunden lang setzte die Tiger Moth noch ihren Steigflug fort, obwohl der Kopf des Piloten sich in einen verkohlten Stumpf verwandelt hatte. Dann sackte Kirkes Körper zusammen und schob dabei offenbar den Steuerknüppel nach vorne. Die Tiger Moth kippte vornüber, raste abwärts und bohrte sich mit der Nase voran wie ein Pfeil in die Erde. Das Leitwerk zerknitterte wie eine Ziehharmonika.
    Es herrschte entsetztes Schweigen. Die Flammen züngelten noch an den Tragflächen und am Schwanz, fraßen die Bespannung ab, nagten an den hölzernen Flügelrippen und enthüllten die eckigen Stahlrohre des Rumpfs, die wie das Skelett eines brennenden Märtyrers aussahen.
    »Mein Gott, wie furchtbar!«, sagte Tilde Jespersen. »Der arme Mann.« Sie zitterte am ganzen Leibe.
    Flemming nahm sie in die Arme. »Ja«, sagte er. »Aber das Schlimmste ist, dass er jetzt keine Fragen mehr beantworten kann.«

Teil 2
    A uf dem Schild vor dem Gebäude stand Dänisches Institut für Volksmusik und Volkstanz, doch das diente nur der Irreführung der Behörden. Ging man die Treppe hinunter und ließ den als Lichtschleuse dienenden doppelten Vorhang hinter sich, gelangte man in einen fensterlosen Keller. Es war ein Jazz-Club.
    Der Raum war klein und düster. Der feuchte Betonboden war mit Zigarettenstummeln übersät und klebrig von übergeschwapptem Bier. Es gab ein paar wackelige Tische und einige Holzstühle, doch die meisten Zuschauer standen – Seeleute und Hafenarbeiter Schulter an Schulter mit gut gekleideten jungen Leuten und ein paar deutschen Soldaten.
    Auf der winzigen Bühne saß eine junge Frau am Klavier und schmachtete Balladen in ein Mikrofon. Vielleicht war es ja Jazz- aber auf keinen Fall die Musik, für die Harald sich begeisterte. Er wartete auf Memphis Johnny Madison, einen Farbigen, der allerdings den größten Teil seines Lebens in Kopenhagen verbracht und Memphis, Tennessee, wahrscheinlich nie mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Es war zwei Uhr morgens. Ein paar Stunden zuvor, nachdem im Internat offiziell das Licht gelöscht worden war, hatten sich Die drei Verrückten – Harald, Mads und Tik – heimlich wieder angezogen. Sie waren aus dem Haus geschlichen und mit dem letzten Zug in die Stadt gefahren. Es war ein sehr riskantes Unternehmen, das sie, sollte es je bekannt werden, in allergrößte Schwierigkeiten bringen würde, aber Memphis Johnny Madison war eben ein solches Risiko wert.
    Der Aquavit, den er zu seinem Bier trank, trug noch zu Haralds Euphorie bei.
    In seinem Hinterkopf spukte immer noch die Erinnerung an das aufregende Gespräch mit Poul Kirke herum sowie die erschreckende Erkenntnis, dass er inzwischen Mitglied der dänischen Widerstandsbewegung war. Er wagte kaum daran zu denken, denn über dieses Thema konnte er nicht einmal mit Mads und Tik sprechen. Er, Harald Olufsen, hatte geheime militärische Informationen an einen Spion weitergegeben.
    Nachdem Poul ihm gegenüber eingestanden hatte, dass es tatsächlich eine geheime Widerstandsorganisation gab, hatte Harald ihm angeboten, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um der Gruppe zu helfen. Poul hatte ihm daraufhin versprochen, ihn als Beobachter einzusetzen, dessen Aufgabe darin bestehen sollte, Informationen über die Besatzungstruppen zu sammeln und sie Poul zur Weiterleitung nach England zukommen zu lassen. Harald barst schier vor Stolz

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