Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mitternachtsfalken: Roman

Titel: Mitternachtsfalken: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Liste mit Namen und Adressen, in einigen Fällen auch die dazugehörige Telefonnummer. Er musterte Gammel und sah, dass sich dessen glatt rasierte Wangen leicht röteten. Das war viel versprechend. Sorgfältig studierte er die Adressenliste und suchte sich aufs Geratewohl einen Namen heraus.
    »Hilde Bjergager – wer ist das?«
    »Eine Freundin«, erwiderte Gammel kühl.
    »Bertil Bruun?«
    Gammel bewahrte die Ruhe. »Wir spielen Tennis miteinander.«
    »Fred Eskildsen?«
    »Mein Bankmanager.«
    Die anderen Polizisten hatten ihre Suche eingestellt und waren verstummt. Sie spürten die Spannung, die sich ausbreitete.
    »Poul Kirke?«
    »Ein alter Freund.«
    »Preben Klausen?«
    »Ein Kunsthändler.«
    Zum ersten Mal zeigte Gammel einen Anflug von Gemütsbewegung, doch er wirkte eher erleichtert als schuldbewusst. Warum? Glaubte er, dass er noch einmal davongekommen war? Was steckte hinter diesem Kunsthändler namens Preben Klausen? Oder ging es nicht um ihn, sondern um den vorherigen Namen? Kam die Erleichterung vielleicht daher, dass Flemming von Kirke zu Klausen übergegangen war?
    »Poul Kirke ist ein alter Freund, sagten Sie?«
    »Wir haben zusammen studiert.« Gammels Stimme blieb gleichmäßig, doch in seinem Blick lag ein Anflug von Furcht.
    Flemming warf Tilde Jespersen einen Blick zu, und sie nickte leicht. Auch ihr war Gammels Reaktion aufgefallen.
    »Womit verdient der Mann seinen Lebensunterhalt?«, fragte Flemming.
    »Er ist Pilot.«
    »Wo?«
    »Bei der Armee.«
    »Aha.« Flemming hatte schon so eine Vermutung gehabt, dass es sich bei den Mitternachtsfalken möglicherweise um Soldaten handeln könnte. Das legten der Name und die genauen Beobachtungen militärischer Details nahe. »Auf welchem Stützpunkt?«
    »Vodal.«
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, dass er in Naestved wohnt.«
    »Das ist ja ganz in der Nähe.«
    »Immerhin fünfunddreißig Kilometer entfernt.«
    »Na, jedenfalls in meiner Erinnerung.«
    Flemming nickte nachdenklich. Dann sagte er zu Conrad: »Nehmen Sie diesen verlogenen Kerl fest.«
    Die Durchsuchung von Gammels Wohnung erwies sich als Fehlschlag. Peter Flemming fand nichts, das von Interesse gewesen wäre: kein Codebuch, keine subversive Literatur, keine Waffen. Er schloss daraus, dass Gammel nur eine kleine Nummer in dem Spionagering sein konnte. Seine Rolle beschränkte sich auf einfache Observierungen, die er an eine zentrale Kontaktperson weitergeben musste. Diese Schlüsselfigur sammelte dann die Nachrichten und schickte sie nach England. Aber wer war die Person, um die sich alles drehte? Flemming hoffte, dass es sich um diesen Poul Kirke handelte.
    Ehe er die achtzig Kilometer lange Fahrt zur Flugschule in Vodal antrat, wo Kirke stationiert war, verbrachte Peter Flemming eine Stunde mit seiner Frau Inge. Er bereitete ein Apfel- und HonigSandwich zu, zerschnitt es in kleine, quadratische Happen und fütterte sie. Seine Gedanken aber waren bei Tilde Jespersen. Er stellte sich vor, mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung zu leben. Vor seinem geistigen Auge beobachtete er sie dabei, wie sie sich zurechtmachte, um abends mit ihm auszugehen: Sie wusch ihre Haare und rubbelte sie mit einem Handtuch trocken; sie saß in Unterwäsche am Schminktisch und lackierte ihre Fingernägel; sie blickte in den Spiegel und drapierte sich einen Seidenschal um den Hals.
    Er merkte, dass er sich nach einer Frau sehnte, die zu selbstständigen Tätigkeiten in der Lage war.
    Nein, so ging es nicht weiter. Er war ein verheirateter Mann, und der Umstand, dass seine Ehefrau krank war, durfte kein Freibrief zum Ehebruch sein. Tilde war eine Kollegin und eine Freundin – mehr durfte sie für ihn niemals sein.
    Rastlos und verstört stellte er das Radio an und hörte, während er auf die Nachtschwester wartete, die Nachrichten. In Nordafrika hatten die Engländer einen neuen Angriff begonnen. Sie hatten, von Ägypten kommend, mit einer Panzerdivision die Grenze nach Libyen überschritten, um die belagerte Stadt Tobruk zu entsetzen. Es klang nach einer größeren Operation, auch wenn der zensierte dänische Sender selbstverständlich voraussagte, dass deutsche Panzerabwehrkanonen den britischen Truppen schwere Verluste zufügen würden.
    Das Telefon klingelte, und Flemming hob den Hörer ab.
    »Allan Forslund hier vom Verkehrsdezernat.« Forslund war der Beamte, der mit dem Fall Jonk befasst war, jenem Betrunkenen, der
    Flemmings Wagen gerammt hatte. »Der Prozess ist soeben zu Ende

Weitere Kostenlose Bücher