Mitternachtsflut
den Cocktailbars hatten schon alle Hände voll zu tun. „Yeah! Seht doch mal, wer da kommt!“ Domingos Freude war ehrlich und auch alle anderen fielen Marie und Roberta voller Freude um den Hals. „Schön, dass du dich aufgerafft hast herunter zu kommen!“
Marie war doch so stolz auf ihren Preis, dass sie erzählte, dass sie soeben aus Deutschland zurück gekommen war und sie es nur Raul zu verdanken hatten, dass sie jetzt hier wäre. Humberto nickte, während er einen „Sex-on-the-Beach“ mixte der es in sich hatte, seinem kleinen Bruder anerkennend zu. „Ich muss zugeben Kleiner, du steigst gerade mal wieder in meiner Achtung. „Na, dafür kann ich mir was kaufen, oder?“ Raul trollte sich grinsend zu seinen Freunden, die sich bereits, alle bestens gestylt, an der Tanzfläche herumtrieben. Nach einer Weile hatte jeder sich seine „Chica“ aus den blonden Schwedinnen und Norwegerinnen auserkoren und es wurde zum Angriff übergegangen. Die Clique um Marie besah sich das Ganze mit einem Lächeln. „Wisst ihr noch?“ Domingo sah mit leicht sehnsüchtigem Blick zu den Tanzenden hinüber. „Als wir noch jung waren, ging es bei uns auch so ab.“ Marie hüstelte leise und auch Humberto und Roberta konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Domingo, der Inbegriff des Spaniers, mit seinen kurzen schwarzen Locken, der dunklen Haut und den dunkelbraunen Haselnussaugen schlenderte, grob geschätzt, jeden dritten Abend mit einer neuen, willigen Schönheit an seiner Seite über die Promenade und verschwand dann mit ihr. „Übernimm dich nicht mein Alter, vergiss nicht, wir werden nicht jünger.“ Humberto ließ seinen Blick über das feiernde Volk schweifen. „Mal im Ernst, über unser Leben hier können wir uns nicht beschweren. Herzinfarkt holen wir uns keinen. Solange wir nicht den Fehler machen, fest in die Gastronomie oder Hotelerie zu gehen, bin ich mit meinem Leben durchaus zufrieden.“ Die Lady mit dem roten Pagenkopf kam nun schon zum dritten Mal, um sich von ihm einen Cocktail mixen zu lassen. Entweder kippte sie das Zeug im Eiltempo oder versorgte ihre Freundinnen gleich mit. Allerdings sagte der schmachtende Blick, mit dem sie ihren Cocktail orderte, mehr als tausend Worte. Humberto grinste durch seine dunkelblonden Locken, die ihn als Canario der ersten Stunde auswiesen, zu Marie hinüber. In diesem Fall, konnte sie Gedanken lesen. „Die Nacht ist gesichert!“
Pünktlich um 22.00 Uhr begann die Flamencogruppe mit ihrer Performance. Die Show war atemberaubend. Traumhafte Körper in herrlichen Kostümen, die sich mit einer Grazie und Würde zu bewegen wussten, dass einem beim Zusehen der Mund vor Staunen offen blieb. Vor allem Angelique, der weibliche Star der Truppe, überzeugte mit Tanzakrobatik vom Feinsten. Vom Flamenco über Samba, bis hin zur gekonnten Balletteinlage stand sie für weibliche Grazie und Perfektion im Tanz. Marie hatte Angelique nie besonders gemocht, da die Französin, sich ihrer Ausstrahlung durchaus bewusst, mit viel Überheblichkeit gesegnet war, aber ihr Können erkannte sie neidlos an. Die Show näherte sich ihrem Höhepunkt der darin bestand, dass Fernando, Angeliques Tanzpartner und sie einen hingebungsvollen, sexsprühenden Tango tanzten, in dessen letzter Figur Fernando die Zuschauer damit aus ihrer Begeisterungsstarre riss, dass er die Haarnadel aus Angeliques Haarknoten zog und ihr hüftlanges, blondes Haar wie ein Wasserfall über ihr nachtblaues Kostüm flutete.
Auch in diesem Jahr wollte der Jubel minutenlang kein Ende nehmen. Es war aber auch wieder eine unglaubliche Show gewesen. Während alle anderen auf die Tanzflächen strömten, um nun auch ihr Können auszutesten, schlenderten Marie und Roberta zurück zu Humbertos Bar. Dem gelang inzwischen das Kunststück mit dem kleinen Rotschopf zu knutschen und gleichzeitig Bestellungen anzunehmen und Cocktails zu mixen. „Ich dachte immer Männer seien nicht multitaskingfähig.“ Marie schüttelte fragend den Kopf. „Das kommt immer auf die Umstände an. Wenn sie ne fremde Zunge im Hals haben, dann scheint das ganz gut zu klappen,“ kicherte Roberta. Sie schnappten sich jede ein Saftglas, setzten sich auf einen der polierten Ziersteine und genossen das pulsierende Fest. Während Marie sich das fröhliche, bunte Treiben betrachtete, befiel sie eine seltsame Wehmut. Jeder hatte seinen Spaß, gut, sie amüsierte sich auch, aber etwas fehlte. Sie wusste auch sehr gut was. Nur ein paar Meter entfernt flirtete
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