Mitternachtspalast
sprechen und alles vorzubereiten.«
»Das ist nicht so einfach«, gab Carter zu bedenken.
»Doch, es ist ganz einfach: Wenn Sie nicht mit ihm reden, werde ich es tun, Mr Carter«, drohte Aryami und ging zur Tür des Büros. »Und beten Sie, dass dieser Kerl ihn nicht findet, bevor der Morgen graut.«
»Ich werde morgen mit Ben sprechen«, sagte Carter. »Mehr kann ich nicht tun.«
Aryami warf ihm von der Tür aus einen letzten Blick zu.
»Morgen, Mr Carter, ist heute.«
»Eine Geheimgesellschaft?«, fragte Sheere, und ihre Augen leuchteten neugierig. »Ich dachte, Geheimgesellschaften gibt es nur in Groschenromanen.«
»Siraj, unser Experte auf diesem Gebiet, könnte dich stundenlang eines Besseren belehren«, sagte Ian.
Siraj nickte gewichtig, um seine grenzenlose Gelehrsamkeit zu unterstreichen.
»Hast du schon mal von Frank Mason gehört?«, fragte er.
»Bitte!« unterbrach ihn Ben. »Sheere wird glauben, dass wir ein Haufen von Hexenmeistern in schwarzen Kapuzen sind.«
»Und, seid ihr das nicht?«, fragte das Mädchen lachend.
»Nein«, erwiderte Seth feierlich. »Die Chowbar Society hat sich zwei ganz und gar hehre Ziele gesetzt: Uns und anderen zu helfen und unser Wissen zu teilen, um eine bessere Zukunft zu schaffen.«
»Behaupten das nicht alle großen Feinde der Menschheit?«, fragte Sheere.
»Erst in den letzten zwei-, dreitausend Jahren«, sagte Ben und wechselte dann das Thema. »Heute ist eine ganz besondere Nacht für die Chowbar Society.«
»Heute lösen wir uns auf«, erklärte Michael.
»Die Toten sprechen!«, bemerkte Roshan überrascht.
Sheere betrachtete erstaunt diese Gruppe von Jugendlichen und ließ sich nicht anmerken, wie sie sich über das Kreuzfeuer amüsierte, das zwischen ihnen hin- und herging.
»Was Michael sagen will, ist, dass heute die letzte Versammlung der Chowbar Society stattfindet«, erläuterte Ben. »Nach sieben Jahren fällt der Vorhang.«
»Na toll«, sagte Sheere, »da begegne ich mal einer richtigen Geheimgesellschaft, und schon löst sie sich auf. Mir bleibt nicht mal Zeit, noch Mitglied zu werden.«
»Keiner hat gesagt, dass wir neue Mitglieder aufnehmen«, warf Isobel ein, die den Wortwechsel schweigend mitverfolgt hatte, ohne den Blick von dem Gast abzuwenden. »Wenn diese Großmäuler nicht wären, die gerade einen der Schwüre der Chowbar gebrochen haben, wüsstest du nicht mal, dass es sie gibt. Kaum kommt ein Rock vorbei, verkaufen sie sich für eine Münze.«
Sheere warf Isobel ein versöhnliches Lächeln zu und dachte über die unterschwellige Feindseligkeit nach, die ihr das Mädchen entgegenbrachte. Es war wohl nicht so leicht, den Verlust der Exklusivität hinzunehmen.
»Voltaire sagte, die schlimmsten Frauenhasser seien die Frauen selbst«, warf Ben ein.
»Und wer zum Teufel ist Voltaire?«, fuhr Isobel ihm über den Mund. »Dieser Quatsch kann doch nur auf deinem Mist gewachsen sein.«
»Da spricht die Unwissenheit«, feuerte Ben zurück. »Vielleicht hat Voltaire es nicht genau so gesagt …«
»Hört auf«, ging Roshan dazwischen. »Isobel hat recht. Wir hätten nichts sagen dürfen.«
Sheere bemerkte besorgt, wie die Stimmung binnen Sekunden umzuschlagen schien.
»Ich will nicht der Grund für einen Streit sein. Am besten, ich gehe zurück zu meiner Großmutter. Ich werde einfach alles vergessen, was ihr erzählt habt«, sagte sie und reichte Ben ihr Limonadenglas.
»Nicht so eilig, Prinzessin«, rief Isobel ihr hinterher.
Sheere drehte sich um und sah das Mädchen an.
»Jetzt, wo du ein bisschen was weißt, musst du alles erfahren und Stillschweigen bewahren.« Isobel lächelte beschämt. »Tut mir leid wegen eben.«
»Gute Idee«, urteilte Ben. »Also los.«
Sheere hob überrascht die Augenbrauen.
»Sie muss Eintritt zahlen«, rief Siraj in Erinnerung.
»Ich habe kein Geld …«
»Wir sind keine Kirche, meine Liebe, wir wollen dein Geld nicht«, sagte Seth. »Der Preis ist ein anderer.«
Sheere forschte in den undurchschaubaren Gesichtern der Gruppe nach einer Antwort. Ian lächelte ihr freundlich zu.
»Nur die Ruhe, es ist nichts Schlimmes«, erklärte er. »Die Chowbar Society versammelt sich nach Mitternacht an ihrem geheimen Treffpunkt. Wir alle haben bei der Aufnahme unseren Preis gezahlt.«
»Wo ist euer geheimer Treffpunkt?«
»In einem Palast«, antwortete Isobel. »Dem Mitternachtspalast.«
»Ich habe noch nie von ihm gehört.«
»Weil noch nie jemand von ihm gehört hat, außer uns«, setzte
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