Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
zerriss. Die ersten Besucher waren Rawlins und Mary Cogdell gewesen. Beide froh, dass die Ehe mit Cain endlich ein Kind hervorbrachte, auch wenn es zwölf Monate gedauert hatte.
Den Rest des Sommers erholte sich Kit und verliebte sich mit jedem Tag mehr in ihre kleine Tochter. Beth war ein süßes, friedliches Baby und überglücklich, wenn es von ihrer Mutter verwöhnt wurde. Nachts, wenn die Kleine aufwachte, holte Kit sie in ihr Bett, wo sie bis zum Morgen dösten – Beth zufrieden saugend an der Brust ihrer Mutter und Kit voller Liebe für dieses kostbare Wesen, ein Geschenk Gottes, als sie es dringend gebraucht hatte.
Veronica schrieb ihr regelmäßig und kam bisweilen zu Besuch. Zwischen den beiden Frauen entwickelte sich eine tiefe Zuneigung. Veronica schwärmte immer noch von einer Liebesnacht mit Cain, aber das nahm Kit nicht allzu ernst. Vermutlich wollte Veronica sie nur eifersüchtig machen und ihre Gefühle für Cain testen. Als wenn sie jemand auf die Liebe zu ihrem Mann hätte stoßen müssen, seufzte Kit dann im Stillen.
Ihre Beziehung mit Sophronia stabilisierte sich ebenfalls. Sie stritten zwar genau wie früher, aber Sophronia war jetzt offener zu ihr und tröstete Kit über vieles hinweg. Manchmal jedoch blutete Kit das Herz, wenn sie das tiefe Leuchten in Sophronias verliebtem Blick gewahrte. Gütig und feinsinnig, hatte Magnus die Kraft bewiesen, die Geister der Vergangenheit zu bannen.
Der junge Plantagenaufseher hatte ein Einsehen, als Kit mehr über ihren Mann erfahren wollte. Abends, wenn
sie im Hof saßen, erzählte er ihr, was er von Cain wusste: über seine Kindheit, die ziellose Jugend und seine Tapferkeit als Kriegsheld. Sie sog alles in sich auf wie ein Schwamm.
Anfang September hatte sie neue Energie getankt, ihr Selbstbewusstsein leidlich wiedergefunden. Veronica hatte seinerzeit darauf gepocht, dass sie sich für das Richtige im Leben entscheiden müsse. Jetzt, da sie über die Plantagenfelder ritt, realisierte sie erst, was Veronica damit gemeint hatte. Es wurde Zeit, dass sie ihren Mann zurückholte.
Dummerweise gestaltete sich ebendies in der Theorie einfacher als in der Praxis. Cains Anwalt wusste zwar, dass er sich seinerzeit in Natchez aufgehalten hatte, aber seitdem keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt. Kit erfuhr, dass der gesamte Verkaufserlös der Spinnerei auf einer Bank in Charleston hinterlegt war. Er hatte keinen Cent von dem Geld angerührt.
Sie stellte in ganz Mississippi Nachforschungen an. Man erinnerte sich zwar an ihn, wusste aber nicht um seinen weiteren Verbleib.
Mitte Oktober, als Veronica zu einem Besuch aus Charleston anreiste, war Kit hellauf verzweifelt. »Ich habe mich überall erkundigt, er ist wie vom Erdboden verschluckt.«
»Er ist in Texas, Kit. In San Carlos.«
»Sie wussten es die ganze Zeit und haben mir nichts gesagt? Wie können Sie mir so etwas antun?!«
Veronica ignorierte Kits spontane Verärgerung und trank einen Schluck Tee. »Also wirklich, meine Liebe, Sie haben mich nie danach gefragt.«
»Ich hielt es für selbstverständlich, dass Sie mich auch ungefragt informieren«, gab Kit giftig zurück.
»Sie sind nur wütend, weil er mir geschrieben hat und nicht Ihnen.«
Kit hätte sie am liebsten kurzerhand an die Luft gesetzt, aber die feinsinnige Veronica lag wie üblich richtig. »Ich bin sicher, Sie haben ihm nach allen Regeln der Verführung geantwortet.«
Veronica lächelte nachsichtig. »Aber nein, meine Liebe, wo denken Sie hin! Es war sein ausdrücklicher Wunsch, mit mir in Verbindung zu bleiben. Er wollte, dass ich ihn benachrichtige, falls irgendetwas Dramatisches passiert.«
Kit war plötzlich sterbenselend zumute. »Dann weiß er von Beth und kommt trotzdem nicht zu uns zurück?«
Veronica seufzte. »Nein Kit, er weiß nichts von ihr. Offen gestanden bin ich mir unsicher, ob ich es ihm nicht besser mitgeteilt hätte. Aber grundsätzlich ging es mich ja auch nichts an. Zudem hätte ich es nicht ertragen, euch beide noch mehr leiden zu sehen.«
Kit fiel ein Stein vom Herzen. Sie umarmte Veronica. »Bitte, bitte, erzählen Sie mir alles.«
»In den ersten Monaten reiste er auf den Raddampfern mit und lebte von seinen Pokergewinnen. Dann zog er nach Texas, wo er als bewaffneter Reiter die Postkutschen begleitete. Kein ungefährlicher Job, wenn Sie mich fragen. Eine Weile arbeitete er als Viehtreiber. Inzwischen leitet er einen Spielsalon in San Carlos.«
Kit hörte ihr zunehmend bestürzt zu. Cain hatte sein
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