Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
einfach gehabt hatte im Leben. Ungeachtet dessen war sie eine attraktive Frau mit dichtem, kastanienbraunem Haar und festen, vollen Brüsten. Und bis vor kurzem weiß Gott nicht auf Rosen gebettet. Aber das hatte sich mit dem Tod ihres letzten Liebhabers schlagartig geändert. Der hatte sie dankenswerterweise in seinem Testament begünstigt. Und jetzt war sie die Besitzerin des Yellow Rose und die meistbegehrte Frau in ganz San Carlos – doch der einzige Mann, auf den sie ein Auge geworfen hatte, interessierte sich anscheinend nicht für sie.
Schmollend blickte sie durch das Zimmer zu ihm hinüber. Er stopfte eben ein Batisthemd in eine schwarze, figurbetonte Tuchhose. »Aber du hast mir doch versprochen, mit mir eine Spritztour in meiner neuen Kutsche zu machen. Warum nicht heute?«
»Ich hab zu tun, Ruby«, erwiderte er knapp.
Sie beugte sich leicht vor, worauf der Halsausschnitt ihres rot gerüschten Morgenmantels verführerisch aufklaffte, aber das schien er gar nicht zu merken. »Man könnte glatt meinen, dass du hier der Boss bist. Was hast du denn so Wichtiges zu tun? Kannst du das nicht ausnahmsweise verschieben?«
Als keine Antwort kam, bohrte sie nicht weiter. Diesen Fehler hatte sie einmal gemacht und dann nie wieder! Stattdessen glitt sie um das Bett herum zu ihm. Und wünschte sich brennend, sie könnte das ungeschriebene Gesetz des Westens brechen und ihn über seine Vergangenheit ausfragen.
Sie vermutete, dass ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war. Das würde auch zu der gefährlichen Spannung passen, die stets von ihm ausging. Er war ein guter Faustkämpfer und ein hervorragender Schütze. Sein harter, leerer Blick trieb ihr jedes Mal eine Gänsehaut über den Rücken, wenn sie ihn nur anschaute. Allerdings konnte er lesen und schreiben, und das passte nicht zu einem Vagabunden.
Eins stand jedenfalls fest: Er war kein Weiberheld. Er schien nicht einmal zu merken, dass er die Frauen in San Carlos reihenweise hätte flachlegen können. Seit sie ihn im Yellow Rose eingestellt hatte, versuchte Ruby mit allen Tricks, in sein Bett zu kommen. Bisher jedoch erfolglos. Aufgeben kam für sie indes nicht in Frage, zumal er für sie der mit Abstand attraktivste Mann in ganz Texas war.
Sie blieb vor ihm stehen, legte eine Hand auf seine Gürtelschnalle und die andere auf seine Brust. Das Klopfen an der Tür ignorierend, schob sie ihre Finger in sein Hemd. »Ich kann wahnsinnig nett zu dir sein. Gib mir doch eine klitzekleine Chance.«
Ihr war nicht bewusst, dass die Tür aufsprang. Erst als er den Kopf hob und an ihr vorbeispähte, drehte Ruby sich verärgert zu dem ungebetenen Eindringling um.
Der Schmerz überkam Kit wie eine eisige Woge. Als Erstes sah sie ein frivoles, rot gerüschtes Negligé, üppige weiße Brüste, einen knallroten, missfällig verzogenen Mund. Und dann gewahrte sie ihren Mann.
Er schien um Jahre gealtert. Sein Gesicht war hagerer und härter, mit dunklen Augenschatten und tief eingegrabenen Linien um die Mundpartie. Er trug die Haare so lang, dass sie sich über seinen Hemdkragen wellten. Er sah aus wie ein Bandit. Schien wachsam wie ein Soldat und angespannt wie Draht, der jeden Augenblick zerreißen konnte.
Als er Kit bemerkte, glitt ein Hauch von Wehmut über sein Gesicht, ehe es zu völliger Ausdruckslosigkeit erstarrte.
Die Frau schnellte zu Kit herum. »Zum Teufel, wie kommen Sie mir denn? Hier mir nichts, dir nichts hereinzuplatzen! Wenn Sie einen Job suchen, dann packen Sie Ihren kleinen Hintern wieder nach unten und warten gefälligst, bis ich Zeit für Sie habe.«
Innerlich brodelte Kit vor Wut. Sie streifte den Hutschleier zurück, während sie mit der anderen Hand die Zimmertür aufdrückte. »Sie sind diejenige, die jetzt nach unten geht. Ich muss ein paar private Dinge mit Mr. Cain klären.«
Rubys Augen verengten sich zu Schlitzen. »Typen wie Sie kenne ich zur Genüge. Verwöhntes Gör kommt in den
Westen und denkt, dass es andere für sich arbeiten lassen könne. Das hier ist mein Laden, und ich brauche keine Etepetete-Schnepfe, die mir sagt, wo’s langgeht. Machen Sie das in Virginia oder Kentucky oder woher auch immer Sie kommen, aber nicht im Yellow Rose.«
»Raus«, zischte Kit gefährlich leise.
Ruby band den Gürtel ihres Morgenmantels fester und baute sich wütend vor Kit auf. »Ich will Ihnen einen Gefallen tun, Kleine, indem ich Ihnen auf die Sprünge helfe, wie das hier in Texas läuft.«
»Ich geb dir einen guten Rat, Ruby«, ertönte Cains
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