Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
froh gewesen, die widerspenstige Tochter loszuwerden, noch dazu an diesen gut situierten Geschäftsmann.
Die Verbindung hatte von Anfang an unter keinem guten Stern gestanden. Rosemary hasste ihre Schwangerschaft und kümmerte sich nicht um den Sohn, der exakt neun Monate nach der Hochzeitsnacht geboren wurde. Ihren treu sorgenden Ehemann betrog sie nach Strich und Faden und machte ihn in der Öffentlichkeit lächerlich, gleichwohl hatte Nathaniel nie aufgehört, sie zu lieben.
Er machte sich schwere Vorwürfe. Hätte er sie nicht spontan geschwängert, wäre sie vielleicht ausgeglichener gewesen. Schließlich hatte er die Schuld für ihr Fehlverhalten sogar bei dem Kind gesucht.
Sie hatte zehn Jahre gebraucht, um sein Vermögen durchzubringen. Und war dann mit einem seiner Angestellten durchgebrannt.
Baron hatte das alles hautnah miterlebt. Er war ein einsames, verstocktes Kind gewesen. In den Monaten nach dem Verschwinden seiner Mutter hatte er hilflos mit angesehen, wie sein Vater litt. Der hatte schmutzig, unrasiert und ständig betrunken auf dem ungepflegten Anwesen gehaust und sich in seiner Fantasie eine Frau ausgemalt, die Rosemary nie gewesen war.
Nur einmal hatte der Junge rebelliert. In einem impulsiven Wutanfall hatte er seinen ganzen Hass auf die abtrünnige Mutter herausgeschrien. Und war von seinem Vater halbtot geprügelt worden. Später konnte Nathaniel Cain sich daran nicht mehr erinnern.
Cain hatte von seinen Eltern eine harte Lektion gelernt, die er nie mehr vergaß: Die Liebe war eine Schwäche, die einen Menschen negativ veränderte.
Seitdem verschenkte er seine Lieblingsbücher und verkaufte Pferde, bevor sie ihm ans Herz wuchsen. Jetzt stand er am Fenster der Bibliothek und starrte brütend in die heiße, friedvolle Nacht, dachte an seinen Vater, seine Mutter… und an Kit Weston.
Es war ihm gleichgültig, dass der alte Hass erneut in ihm hochkochte. Was ihn ärgerte, waren seine Gefühle für sie. Seit jenem Nachmittag, als sie geheimnisvoll verschleiert und sündhaft schön in sein Haus gekommen war, ging sie ihm nicht mehr aus dem Kopf. Als er vorhin ihre Brüste gestreichelt hatte, war ihm klar geworden, wie stark er sie begehrte.
Er spähte zu seinem Schreibtisch. Er wirkte unangetastet. Also war sie nicht heimlich hereingeschlüpft, als er kurz im Stall gewesen war. Nachdem er sie beim Herumschnüffeln ertappt hatte, hätte er die Rechnungsbücher einschließen müssen, sagte er sich. Andererseits fand er ihr Interesse für Risen Glory höchst amüsant.
Ihr Monat auf der Plantage war fast um. Und nach dem heutigen Abend sah es so aus, als wollte sie unbedingt diesen Idioten Parsell heiraten. Aber vorher musste er sich irgendwie von dem geheimnisvollen Zauber befreien, den sie auf ihn ausübte.
Wenn er bloß wüsste, wie.
Aus der Halle drangen gedämpfte Geräusche zu ihm. Aha, die kleine Spionin war wieder unterwegs. Aber heute
hatte er dafür keinen Nerv. Er ging auf Zehenspitzen über den Teppich und drückte behutsam die Klinke hinunter.
Kit wirbelte erschrocken herum, als die Tür zur Bibliothek knirschend aufsprang. Cain stand auf der Schwelle. Elegant und ungezähmt maskulin.
Sie trug ein dünnes, bodenlanges Nachthemd mit hochgeschlossenem Kragen. Aber nach dem, was in ihrem Schlafzimmer passiert war, fühlte sie sich ziemlich dürftig bekleidet.
»Schlaflosigkeit?«, meinte er gedehnt.
Mit ihren nackten Füßen und den gelösten Haaren wirkte sie wie eine Amazone, besonders nach einem Abend mit der gepflegten Veronica Gamble. Kit wünschte sich, sie hätte wenigstens Slipper übergestreift. »Ich . . . ich hab heute Abend zu wenig gegessen. Ich hatte Hunger und dachte, ich schau mal nach, ob von der Kirschpastete noch was da ist.«
»Oh ja, ein Stück Kirschpastete wäre nicht übel. Komm, wir sehen mal nach«, sagte er ganz locker. Ihr wäre es trotzdem lieber gewesen, er hätte sie nicht in die Küche begleitet. Warum war sie nicht oben in ihrem Zimmer geblieben! Aber sie hatte wirklich Magenknurren vor Hunger und konnte deshalb nicht einschlafen.
Patsy, die Köchin, hatte die Pastete auf den Küchentisch gestellt und mit einem Geschirrtuch abgedeckt. Kit schnitt sich ein schmales Stück ab und schob Cain den Kuchenteller hin. Er nahm sich eine Gabel und trug die Platte zur Küchentür. Während sie sich setzte, lehnte er im Türrahmen und begann zu essen.
Schon nach wenigen Bissen stellte er die Platte weg. »Wieso verschwendest du deine Zeit mit Parsell,
Weitere Kostenlose Bücher