Mitternachtsspitzen: Roman (German Edition)
Kirche zurück zur Plantage. Sophronia saß neben ihm, Samuel, Lucy und Patsy auf der Rückbank. Nach der Predigt hatte er das Gespräch mit Sophronia gesucht, die jedoch nur schroff und einsilbig reagiert hatte. Er wusste sich keine Erklärung dafür, aber Kits Rückkehr passte ihr wohl nicht. Irgendetwas war zwischen den beiden vorgefallen.
Magnus spähte zu ihr. Stumm wie eine bezaubernde Statue saß sie neben ihm. Er hatte ihre Geheimniskrämerei restlos satt. Dass sie seine Liebe nicht erwiderte, machte ihn kreuzunglücklich. Er dachte an Deborah Williams, die Tochter von einem der Spinnereiarbeiter. Deborah machte kein Hehl daraus, dass sie sich zu Magnus hingezogen fühlte.
Verflucht! Er wollte endlich eine Familie gründen. Der Krieg war vorbei, und er hatte einen guten Job. Das hübsche, kleine Aufseherhaus am Rande der Plantage konnte sich sehen lassen. Er hatte dem Alkohol abgeschworen und vergnügte sich auch nicht mehr mit leichten Mädchen. Er wollte eine Frau und Kinder. Deborah Williams war hübsch. Und sanftmütig, anders als die spitzzüngige Sophronia. Sie wäre ihm bestimmt eine gute Ehefrau. Aber allein die Vorstellung war bedrückend.
Sophronia hatte nur selten ein Lächeln für ihn übrig, aber wenn, dann war es wie ein strahlender Sommertag. Anders als Deborah informierte sie sich, las Zeitungen und Bücher – und sie sang bei der Arbeit.
Ein rot-schwarz gestrichener Pferdewagen kam ihnen entgegen. Für einen Einheimischen war das Fuhrwerk zu neu. Vermutlich ein Nordstaatler. Irgendein Hasardeur, der im Süden Karriere machen wollte.
Sophronia straffte sich, worauf Magnus sich das Gefährt genauer ansah. Der Fahrer war James Spence, der Besitzer der neuen Phosphatmine. Magnus kannte den Mann nicht näher, aber nach allem, was er gehört hatte, galt er als angesehener Geschäftsmann. Er zahlte gute Löhne und war beliebt bei seinen Kunden. Trotzdem mochte der Plantagenaufseher ihn nicht. Im Gegensatz zu Sophronia, die den Minenbesitzer offenbar sympathisch fand.
Spence war ein gut aussehender Mann. Er lüftete den ockerfarbenen Hut, enthüllte dichtes, in der Mitte adrett gescheiteltes schwarzes Haar und einen beachtlichen Backenbart. »Guten Morgen, Sophronia«, rief er. »Schöner Tag heute, was?« Die anderen würdigte er keines Blickes.
»Morgen, Mr. Spence«, erwiderte Sophronia mit einem holdseligen Lächeln, dass sich bei Magnus die Nackenhaare aufstellten. Am liebsten hätte er sie heftig geschüttelt.
Spence setzte seinen Hut wieder auf und fuhr weiter. Der Mann zeigte nicht zum ersten Mal Interesse an Sophronia, überlegte Magnus. Er hatte die beiden schon angeregt plaudernd in Rutherford beobachtet.
Unwillkürlich umklammerte er die Zügel fester. Es wurde wirklich Zeit für ein klärendes Gespräch.
Die Gelegenheit kam am späten Nachmittag, als er entspannt mit Merlin auf der Veranda vor seinem Haus saß. Im Obstgarten bemerkte er etwas Bläuliches schimmern. Sophronia, in einem hübschen, blauen Kleid, spazierte zwischen den Kirschbäumen hindurch und prüfte vermutlich, ob sich eine weitere Pflückaktion lohnte.
Er stand auf und sprang die Stufen hinunter. Die Hände in die Taschen geschoben, schlenderte er in den Obstgarten. »Das Meiste fressen vermutlich die Vögel«, sagte er hinter ihr.
Sie hatte ihn gar nicht kommen hören und wirbelte erschrocken herum. »Was soll dieses heimliche Anschleichen?«
»Ich hab mich nicht angeschlichen. Schätze, ich gehe immer so leichtfüßig.«
»Geh weg. Ich will nicht mit dir reden«, zischte Sophronia.
»Tut mir leid, aber ich mit dir.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und stakste entschlossen in Richtung Haupthaus. Mit wenigen langen Schritten hatte er sie eingeholt. Er baute sich vor ihr auf. »Wir können uns hier draußen im Garten unterhalten«, meinte er mit einschmeichelnder Stimme, »oder du begleitest mich zu meinem Haus und setzt dich auf der Veranda in den schönen, alten Schaukelstuhl. Was hältst du davon?«
»Lass mich in Ruhe.«
»Möchtest du lieber hier stehen bleiben? Ist mir auch recht.« Er fasste ihren Arm, schob sie vor den Stamm eines Apfelbaums und stellte sich so vor sie, dass sie ihm nicht entwischen konnte.
»Du machst dich lächerlich, Magnus Owen.« Sie funkelte ihn an. »Die meisten Männer hätten es spätestens jetzt kapiert. Ich mag dich nicht. Wann geht das endlich in deinen Dickschädel? Wo bleibt dein Stolz? Was hast du davon, einer Frau nachzustellen, die nichts für dich
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