Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
Miene.
»Unsinn«, begehrte Laryssa auf. »Ja, er ist attraktiv. Ein starker Mann. Einer, wie wir Amazonen ihn mögen. Keiner, der sich einer Frau beugt, es sei denn, er will es. Einer, der eine Frau respektiert und klug genug ist, die Stärke einer Amazone zu akzeptieren.«
»Nun komm mal runter«, zischte Bama. »Du hörst dich an wie eine Halbwüchsige, der es zwischen den Beinen juckt. Ich hätte dir mehr Verstand zugetraut. Du weißt nichts über ihn, gar nichts.«
»Was meinst du damit?«, fragte Laryssa grimmig.
»Verdammt, wir sind seine Gefangenen«, sagte Bob hart , aber leise. »Du kannst ja versuchen, die Oase zu verlassen. Mal sehen, ob dein Angebeteter es zulässt.«
Ihr kleiner Disput wurde durch einen hellen Singsang unterbrochen. Die Gefährten fuhren herum , und alle Blicke wandten sich einer Gruppe Frauen zu, die zum Richtplatz kamen, in ihrer Mitte der Delinquent. Ein schlanker Mann ohne Haare. Das Gesicht hager und trübsinnig. Kopf gesenkt. Hände und Beine gefesselt. Kleine Schritte .
U nd Fraueng esang. Eine aufstrebende Melodie, traurig und fröhlich gleichermaßen, auf jeden Fall anrührend.
Sie führten ihn in die Mitte des Platzes und der Mann legte sich auf den Rücken.
Inzwischen war das Rund von einer Vielzahl Fardas bevölkert. Ma’murd kam zu den Gefährten. »Seine Name ist E’mad. Ich bin mit ihm aufgewachsen. Er war für mich wie ein Bruder.«
Schimmerten Tränen in den Augen des Lessan?
»Was hat er gestohlen?«, wollte Laryssa wissen. Der Gesang erstarb , und ein Mann kam mit gemessenem Schritt auf den Richtplatz. Er hielt einen Holzkäfig in der Hand, in dem sich ein Tier befand.
»Eine Wolldecke«, sagte der Lessan.
Laryssa wollte etwas sagen, doch er winkte ab. »Sein Sohn war krank und die Nacht bitterkalt. Es gibt für jeden Mann, für jede Frau und jedes Kind bei den Fardas eine Decke, mit der man sich wärmt. Nur pro Person eine einzige Decke. Ein Überbleibsel aus unserer Nomadenzeit, in der jedes unnötige Gewicht das Reisen behinderte. Doch E’mads Kind fror, denn es fieberte. Wir feierten und erzählten alte Geschichten am Feuer und bekamen deshalb davon nichts mit. E’mad und sein Weib Sil’vii kümmerten sich um den Sohn. E’mad konnte das Leid seines Sohnes nicht mehr mit anschauen und ging in das Nachbarzelt. Dort nahm er eine Decke, um sie seinem Sohn zu bringen.«
Bob wurde es übel.
Bama sah aus, als wolle sie anfangen zu weinen.
Laryssa wurde bleich. »Und dafür muss er sterben?«
»Ja«, sagte Ma’murd.
»Aber ...«, entfuhr es Bob.
»Er hätte fragen können«, sagte Ma’murd knapp. »Er nahm die Decke und war sich bewusst, dass er einem Gruppenmitglied für diese eine Nacht die Wärme stahl.«
»Er muss sterben, weil er ein weiches Herz hat?«, entfuhr es Laryssa.
»Dafür zahlt er den Preis . Warum jammern? Wenn man die Strafe für ein V ergehen kennt und es dennoch begeht, sollte man den Anstand haben, die Strafe zu akzeptieren. Schließlich begeht man es freiwillig und kennt die Konsequenzen. So etwas nennt man Selbstverantwortung. Alles andere kommt eine r Beugung des Rechts gleich und ist eine Diskriminierung derjenigen, die ein Gesetz achten «, sagte Ma’murd und sein Mund wurde schmal wie eine Messerklinge.
Inzwischen hatte man dem Delinquenten den Kasten auf den Bauch gelegt. Die Frauen pflockten den Liegenden an den Hand- und Fußgelenken fest, sodass er sich nicht bewegen konnte. Der Mann zog die Bodenplatte aus der Kiste und das Tier, eine fette Ratte, hockte neugierig auf dem Bauch des Ärmsten.
Bob konnte nicht anders. Er war von dem Geschehen fasziniert. Was war das? An so etwas starb niemand. War dies vielleicht nur eine rituelle Hinrichtung, bei der es keinen Toten gab? Fast erleichtert sagte er: »Schaut, wie süß sich der kleine Nager putzt.«
Die Frauen mischten sich unter die Zuschauer. Das Lied war gesungen. Nun betrat der Tod den Platz. Der Mann ging und kehrte mit zwei Handvoll Reisig zurück. Dieses schichtete er auf den Käfig. Der kleine Nager richtete sich neugierig auf und schnupperte am Holz. Der Angepflockte seufzte einen Klagelaut. Seine Lippen bewegten sich , und sein Kopf schnellte herum. Aus großen Augen starrte er zu Ma’murd.
»Wo sind seine Frau und sein Sohn?«, fragte Laryssa.
»In die Wüste gegangen, aus der sie nie zurückkehren werden.«
Bob brach der Schweiß aus, was weniger an der brennenden Sonne lag. »Was sagt Ihr? Ihr lasst das zu?«
Der Lessan schüttelte den Kopf.
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