Mittland 2 - Das Feuer der Drachen: 1.100 Seiten Fantasy (German Edition)
vor zwei Stunden im Geheimversteck gefunden hatte. Es ging um eine Direktive, die aus dem Könighaus kam. Unterschrieben hatte sie irgendein Lakai des Königs, allerdings vermutete Flack, den Auftrag direkt vom König zu erhalten.
Er leerte sein Glas und wischte sich den Mund ab.
Es wurde Zeit, zur Burg zu gehen.
Die Schänke war gut gefüllt und die Stimmung auf dem Siedepunkt. Flack schüttelte sich und seine Nasenflügel bebten. Haker Flack hasste Dummheit. Er wusste, dass die meisten Säufer weder lesen noch schreiben konnten, was nicht nur auf Halblinge und Trolle zutraf. Er fand Dummheit entmutigend und ungebildete Dumpfheit abstoßend.
»Ihr seid ein hässlicher Kerl, wisst Ihr das?«
Flack hatte das kommen sehen. Er hatte den betrunkenen Mann, zwei Köpfe größer als er und immens behaart, schon eine Weile beobachtet. Sein feiner Instinkt, der dem eines Nachttieres glich, hatte angeschlagen. Flack besaß die Gabe, eine Auseinandersetzung voraussehen zu können , und in einer stillen Stunde hatte er sich gefragt, ob er die Aufmerksamkeit nicht eben wegen dieser Gabe auf sich zog.
Er reagierte nicht auf den aufgeblasenen Mann und drehte den Kopf weg. Der haarige Riese lachte und seine Zahnstummel wackelten. »He, schaut euch diesen Zwerg an. Sieht aus wie einer, der nicht hierher gehört. Und was sind das für Büschel an seinem Gürtel? Meint wohl, er sei was Besseres, was?«
Er starrte wild um sich und erhoffte sich mehr Aufmerksamkeit, als man ihm schenkte. Also versuchte er es mit Lautstärke , und aus Leibeskräften skandierte er: »Hässlich! Hässlich! Eine weiße Maus in Leder!«
Der Wirt machte warnende Gesten.
»Lasst mich in Ruhe meine Milch trinken«, sagte Flack und seine Stimme war leise und schneidend. »Ich habe dasselbe Recht, hier zu trinken, wie jeder andere Gast.«
»Hässlich! Hässlich! Braune Maus! Weiße Maus!« Der Betrunkene wedelte mit den Armen und spuckte auf den mit Sägespänen bestreuten Boden.
»Lass ihn, Torrmal! Du weißt nicht, mit wem du dich anlegst«, warnte der Wirt, doch der Betrunkene, Torrmal, lachte.
Flack hatte viele Kämpfe erlebt. Seine Erfahrung sagte ihm, dass dieser Mann niemals Ruhe geben würde. Es stand sogar zu befürchten, dass der Kerl ihm folgte, wenn er die Schänke verließ. Es war die typische Überlegenheit eines betrunkenen Narren, der sich vor anderen wichtig machen will, da ihm das Selbstbewusstsein für das tägliche Leben fehlt. Und diese Typen hörten nie auf, sondern fühlten sich durch Abweisung bestärkt.
Mit einer blitzschnellen Bewegung fuhr Flacks rechte Hand vor , und Torrmal brach heulend in die Knie. Flack hatte eine Hand des Betrunkenen gefasst, mit der Sicherheit einer Tarantel dessen kleinen Finger gefunden, diesen mit einer harten schnellen Bewegung gebrochen und gnadenlos nach oben gebogen. Diesen Finger hielt er nun in eisernem Griff.
Torrmal starrte zu ihm hoch , aus seinen Augen schossen Tränen, während sein hässlicher Mund weit aufgerissen war. Er schrie wie am Spieß, ohne sich zu rühren. Seine Lippen bebten und er winselte: »Lasst mich los, bitte, bitte lasst mich los! Es tut weh. Es tut so weh!«
Nun waren er und Flack der Mittelpunkt des Geschehens, und jedes Gespräch war versiegt. Der Blick des Kopfjägers huschte durch die Schänke , und während dieser schnellen Bewegung hatte er jedes, wirklich jedes Gesicht, jede Regung, jede Bewegung registriert. Ihm drohte keine Gefahr, im Gegenteil wirkten einige Gäste amüsiert. Offensichtlich gönnte man dem Aufschneider den Schmerz .
»Du nennst mich hässlich?«, säuselte Flack.
»Nein, mein Herr. Nein – es tut mir leid«, jammerte Torrmal.
»Am hässlichsten ist Hässlichkeit am Spötter«, sagte Flack und ließ den kleinen Finger des Mannes los. Dieser sprang auf, drückte seine Hand gegen den Bauch und suchte das Weite. Hinter ihm schlug die Tür zu.
Eine Weile noch herrschte Stille, dann brandeten die Gespräche wieder auf , und es wurde gelacht und geprostet, als sei nichts geschehen.
Flack drehte sich zum Wirt und bezahlte seine Zeche. »Ein Denker sagte einst, es gäbe Kamele mit einem Höcker und welche mit zwei. Aber die Größten haben gar keinen.«
Der Wirt starrte F lack engstirnig an.
Flack grinste.
Narren !
Er war umgeben von Narren!
Der größte Teil seines Erfolges beruhte auf Intelligenz. Auf Ahnungen, Wahrnehmungen und logischen Schlüssen.
Haker Flack machte sich auf zur Burg.
29
»Schmöckelur ist weg!«, rief
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