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Mittsommerzauber

Mittsommerzauber

Titel: Mittsommerzauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inga Lindström
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denn?«
    »Nach Stockholm. Auf so eine Stelle habe ich lange gewartet. Aber die Fähre kriege ich jetzt sowieso nicht mehr.« Mutlos strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und betrachtete die Spitzen ihrer Pumps. Der rechte Schuh hatte bei dem Unfall etwas abbekommen. Eine hässliche Schramme verunzierte die Spitze.
    »Hey«, sagte der Mann mit weicher Stimme. »Ich habe einen Vorschlag.«
    Anna hob den Kopf und sah zu ihrer Verblüffung, dass er ihr seinen Autoschlüssel hinhielt.
    »Was?«, fragte sie verständnislos.
    »Nehmen Sie einfach meinen Wagen. Ich kümmere mich inzwischen um Ihr Auto. Wo wohnen Sie denn?«
    Sie deutete mit dem Daumen hinter sich. »Gleich im nächsten Ort. Sie können den Wagen auf dem Marktplatz abstellen und den Schlüssel unter die Fußmatte legen.« Ihre Antwort kam mechanisch, während sie perplex den Schlüssel zu seinem Angeberschlitten anstarrte, den er ihr ohne großes Federlesen in die Hand gedrückt hatte.
    Zweifelnd schaute sie ihn an. »Sie wollen das wirklich tun? Ich meine... Sie kennen mich doch überhaupt nicht!«
    »Wenn ich Sie erst besser kennen lernen soll, ist die Fähre wirklich weg«, konterte er mit einem Lachen.
    Anna entschied, dass er es ihr schuldete. Auto gegen Auto sozusagen. Den letzten Rest Skepsis unterdrückend, folgte sie ihm zu seinem Wagen und half ihm beim Ausladen seines Gepäcks. Er hatte eine Angel dabei, und sie fragte sich, ob er hier in der Gegend fischen gehen wollte. Dann machte sie sich klar, dass ihr die Fähre davonfuhr, wenn sie sich nicht beeilte, und ohne zu zögern setzte sie sich hinters Steuer. Im letzten Moment ging ihr auf, dass sie um ein Haar das Wichtigste vergessen hätte.
    »Wie kommen Sie eigentlich hinterher wieder an Ihr Auto?«, fragte sie durch die offene Scheibe.
    »Ich würde sagen, auf dem Marktplatz«, entgegnete er trocken.
    Sie lächelte ihn befreit an und startete den Motor. Es dauerte einen Moment, bis sie sich mit den Armaturen zurechtfand, doch dann war es nur noch eine Sache von Sekunden, den Wagen zu wenden und loszufahren.
    »Das ist wirklich nett von Ihnen, danke!«, rief sie dem Mann im Vorbeifahren zu. »Zum Dank lade ich Sie zum Essen ein!«
    Er erwiderte ihr Lachen, und als sie weiterfuhr, sah sie im Rückspiegel, dass er ihr mit der einen Hand nachwinkte und mit der anderen sein Handy hervorzog. Sehr effizient, dieser Bursche.
    Ihr fiel ein, dass sie vergessen hatte, ihn nach seinem Namen zu fragen. Sie überlegte, ob sie im Handschuhfach nach Papieren schauen sollte, für den Fall, dass sie in eine Verkehrskontrolle kam. Am Ende würde man ihr unterstellen, der Wagen sei gestohlen, weil sie nicht einmal den Namen des Besitzers kannte.
    Dann schlug sie sich alle Gedanken an den Unbekannten aus dem Kopf, denn im nächsten Moment ging es nur noch darum, die Fähre über den Sund zu erwischen.
    Sie sah, dass Ole bereits im Begriff war, abzulegen, und wie von selbst trat ihr Fuß das Gaspedal des PS-starken Wagens durch.
    Ole wirkte erstaunt, als er Anna erkannte. Er winkte sie an Deck und zwinkerte ihr schelmisch zu, als sie ihn durch das offene Fenster erleichtert anstrahlte.
    »Hej, Ole. Danke!«
    »Hej, Anna. Das war knapp.«
    »Ich weiß.« Sie stieg aus und ging zwischen den parkenden Wagen hinüber zum Geländer, heilfroh, dass außer Ole heute keine Leute an Deck waren, die sie kannte, da sie sonst vermutlich endlose Erklärungen über die Herkunft des Wagens und ihren feinen Aufzug hätte abgeben dürfen. Während sie hinunter in die schäumenden Bugwellen schaute, musste sie wieder an den Fremden denken, der ihr sein Auto überlassen hatte.
    Später, als sie durch Stockholm fuhr, überlegte sie, was ihn wohl in diese Gegend getrieben haben mochte. Inzwischen hatte sie im Handschuhfach die Papiere gefunden, die den Wagen als Mietfahrzeug auswiesen, und sie kannte nun auch den Namen des Mannes. Robert Dahlström. Er war dreiunddreißig Jahre alt, und als Wohnort war in dem Formular Toronto angegeben. Ob er Kanadier war? Nein, sicher nicht. Er trug einen skandinavischen Namen und hatte ohne den geringsten Akzent gesprochen.
    Sie erreichte die Straße, in der die Olsson-Reederei ihren Sitz hatte, und als sie den Wagen vor dem großen Geschäftshaus parkte und zu der glänzenden Granitfassade hinaufstarrte, dachte sie nicht mehr an Robert Dahlström. Im Schatten des Eingangs blieb sie stehen, um sich rasch die Lippen nachzuziehen und mit dem Kamm durch die Haare zu fahren. Dann fischte sie ein

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