Mittsommerzauber
wüsste ein paar sehr schöne Häuser...«
»Ach, Bertil! Dräng mich doch nicht immer so!« Sie nahm seine Hand und zog ihn die Treppe hinab. Während sie ihn von der Seite anlächelte, meinte sie in besänftigendem Tonfall: »Wir haben doch alle Zeit der Welt!«
»Du musst dir endlich ein Herz fassen, Anna! Komm, morgen früh fangen wir an, Häuser zu besichtigen!«
»Morgen geht es sowieso nicht«, widersprach sie. »Da muss ich nach Stockholm. Ich hatte dir doch von den... Vorhängen erzählt. Die will ich mir ansehen.« Sie konnte sich selbst nicht ausstehen für diese Unwahrheit, doch sie wollte ihn nicht unnötig beunruhigen. Vielleicht wurde ja gar nichts aus ihrer Bewerbung, dann hätte sie nur Wind um nichts gemacht.
»Wieso willst du noch Vorhänge für dein Zimmer kaufen? Du bleibst doch sowieso nicht mehr lange drin!«
»Komm jetzt, Mama wird sicher schon ungeduldig.« Anna war der Unterhaltung überdrüssig, doch Bertil war offenbar nicht gewillt, ihr das letzte Wort zu überlassen. Er hielt sie zurück und drehte sie so zu sich herum, dass sie ihm ins Gesicht schauen musste. »Es ist mir Ernst, Anna. Ich möchte nicht länger warten.«
»Das hast du mir heute schon mal gesagt.« Sie wusste, dass ihre Stimme abweisend klang, doch sie konnte nichts daran ändern. »Lass uns endlich rausgehen«, bat sie. »Sonst wird das Essen kalt.«
Endlich gab er nach und folgte ihr wortlos hinaus auf die Terrasse.
*
Robert fuhr absichtlich langsam, um den Ausblick auf die Umgebung zu genießen. Hin und wieder tauchte ein Wagen hinter ihm auf, dessen Fahrer es eiliger hatte als er, und Robert räumte jedes Mal bereitwillig das Feld, indem er auf den Standstreifen fuhr und die Drängler vorbeiließ. Wenn er in den Seitenspiegel schaute, sah er das fröhliche Wippen der Angel, die aus dem hinteren Seitenfenster ragte. Das Ende der Rute federte auf und nieder, scheinbar immer im Takt des Liedes, das Robert gerade auf den Lippen hatte. Er war bestens gelaunt. Das Wetter war prächtig, und die Welt da draußen erschien ihm so frisch und unberührt wie ein leuchtender, gerade erst gepflückter Apfel, der nur darauf wartete, dass man ihn aß.
Die Bläue des Himmels stach hell von dem dunklen Bergmassiv ab, das sich teils in schroffen Felsformationen, teils als bewaldete Höhe in der Ferne erhob, und der Fluss, der sich in majestätischer Breite zwischen den Hängen hindurchwand, hatte die Farbe von geschmolzenem Silber.
An der Straßenführung hatte sich seit damals manches verändert, doch die Landschaft war immer noch dieselbe wie früher.
Robert überquerte eine der zahlreichen Brücken, und ein Blick auf das nächste Hinweisschild sagte ihm, dass er sein Ziel fast erreicht hatte. Am Ende der Brücke wurde die Straße schmaler, sodass er noch ein wenig langsamer fuhr. Als er bremste, sah er einen Angler am Fuß der Brücke stehen. Der bunte Köder glitzerte in der Morgensonne, als der Mann die Rute hochzog und dann in gekonntem Schwung die Schnur auswarf. Kaum drei Sekunden später straffte sich die Leine bereits. Beeindruckt fuhr Robert kurzerhand an den Straßenrand und stieg aus.
Er beugte sich über das Geländer. »Hej!«, rief er nach unten. »Beißen sie gut hier?«
Der Fischer schaute zu ihm hoch, während er begann, die Schnur einzuholen. »Hervorragend!«
»Freut mich zu hören, dass das immer noch so ist! Ich hab schon als Kind hier in der Gegend die tollsten Brocken gefangen!«
Er wandte sich wieder zu seinem Wagen um und hatte bereits die Hand ausgestreckt, um die Fahrertür zu öffnen, als ein kleines Cabrio um die Kurve gefegt kam. Einen Augenblick später war das Kreischen von Bremsen zu hören, und Robert stieß einen Fluch aus, als ihm klar wurde, dass er nicht gerade vorschriftsmäßig geparkt hatte. Die Straße war an dieser Stelle nicht nur unübersichtlich, sondern einfach zu eng, um anzuhalten und damit einen Teil der Fahrbahn zu blockieren. Robert sah schockiert, wie der kleine Wagen wegrutschte und dann seitlich ausbrach. Einen Schwindel erregenden Moment schien es, als würde das Cabrio das Brückengeländer durchbrechen und in die Tiefe stürzen, doch dann gelang es dem Fahrer, das Steuer herumzureißen und den Wagen in die Böschung zu lenken. Dort blieb das Cabrio wie ein verunglückter Käfer stecken, die Kühlerhaube in Ginsterbüschen vergraben und ein Hinterrad frei in der Luft drehend wie eine ausgeleierte Schallplatte.
Robert hatte sich bereits in Bewegung gesetzt und
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