Mittsommerzauber
morgens in den Spiegel sah, an denen man im Kleiderschrank auf Anhieb das passende T-Shirt fand. Die Tage, an denen man einfach die ganze Welt umarmen wollte.
*
Richtig warm war die Ostsee um diese Zeit noch nicht. Aber Sven hatte an diesem Morgen der Verlockung eines Bades nicht widerstehen können. Immerhin, er war fast eine halbe Stunde in dem sechzehn Grad kalten Wasser geschwommen. Jetzt rannte er, das Handtuch um seine Hüften geschwungen, schnell über den Steg und durch den Garten zum Haus hinauf, wo gerade eine Frau mittleren Alters den Frühstückstisch deckte. Er schlang das Handtuch enger um sich, fuhr sich durch die Haare und nickte der Frau, die ein hellblaues Kleid und eine weiße Schürze trug, freundlich zu.
»Hej. Guten Morgen. Ich bin Sven Svanblom.«
»Guten Morgen, Herr Svanblom, ich bin Berit. Ihre Mutter meinte, es würde Ihnen gefallen, hier auf der Terrasse zu frühstücken.«
Sven blickte auf den Tisch, der mit einer weißen Tischdecke und teurem Porzellan mit Streublümchen gedeckt war.
»Ja, gerne. Allerdings, ich frühstücke nicht viel. Nur einen frisch gepressten Orangensaft und ein Stück Toast, das reicht mir.«Hinter ihm erklang die Stimme seiner Mutter. »Dann wird dir etwas entgehen, mein Lieber, Berit kocht die beste Erdbeermarmelade auf der Insel. Ein Traum, kann ich dir sagen.«
Viveca küsste ihren nassen Sohn auf die Wangen.
»Du bist ja ganz kalt. Geh um Gottes willen unter die heiße Dusche. Du wirst dich erkälten.«
»Ach Mama«, Sven drückte sie kurz an sich, »dass du einfach nicht aufhören kannst, dir Sorgen zu machen. Der Sprung ins kalte Wasser härtet ab, das solltest du schon mal gehört haben.«
»Aber nur, wenn man regelmäßig ins kalte Wasser springt. Und soviel ich weiß, hat unser Pool in Stockholm fünfundzwanzig Grad. Also, jetzt geh schon, zieh dich um. Ich würde gerne frühstücken.«
Sven verschwand im Haus. Es gefiel ihm, wie seine Mutter aufblühte, so vergnügt hatte er sie seit langem nicht gesehen.
Am oberen Ende der Treppe traf er auf Marita. Schön und kühl in einem eisgrünen Hosenanzug, unter dem sie ein T-Shirt trug, dessen Grün nur wenige Schattierungen dunkler war. Die blonden Haare trug sie schlicht glatt geföhnt, auf den Lippen glänzte ein wenig Gloss. Immer wieder war Sven darüber erstaunt, wie Marita es schaffte, zu jeder Tageszeit, und sei es auch noch so früh, auszusehen, als sei sie gerade der Vogue entstiegen. Sie war einfach perfekt.
»Hej. Ich hab gar nicht gemerkt, dass du aufgestanden bist.«
In ihrer Stimme lag ein leiser Vorwurf. Denn sie hatte auch nicht gemerkt, wie Sven ins Bett gekommen war.
»Sag nicht, du warst schwimmen.«
»Und sag du nicht, ich soll eine heiße Dusche nehmen. Ich bin nämlich keine vier mehr. Wie ich schon meiner Mutter versucht habe, zu erklären«
Maritas Mund verzog sich zu einem ganz kleinen Lächeln. Sie liebte es ganz und gar nicht, mit Svens Mutter verglichen zu werden. Dabei, und diesen Gedanken ließ Sven nur ganz selten und wenn nur mit schlechtem Gewissen zu, hätte ihr ein wenig von Vivecas Großzügigkeit und Offenheit ganz gut getan. Aber so etwas wollte Sven wirklich nicht denken.
Er küsste Marita auf die Wange, die kühl und glatt war, und ging schnell an ihr vorbei Richtung Badezimmer.
»Was denkst du, wie lange will sie hier bleiben?«
Maritas Stimme hielt ihn auf.
»Ich meine, ich kann meine Galerie nicht so lange geschlossen halten. Wir haben Sommer, Sven, das ist die beste Zeit für mich.«
»Ehrlich gesagt, ich bin auch nicht davon ausgegangen, dass wir hier einen vierwöchigen Urlaub verbringen, als Mama uns bat, sie hierher zu begleiten. Allerdings sieht es ganz danach aus, als wollte sie länger hier bleiben.«
Marita zog genervt die Augenbrauen hoch.
»Ja. Sie scheint tatsächlich vorzuhaben, ihren Geburtstag hier zu feiern. Denkst du, du kannst ihr das noch ausreden?«
»Ich vermute, das ist eine rein rhetorische Frage. Du weißt, dass man ihr solche Pläne noch nie ausreden konnte. Und ehrlich gesagt, im Grunde bin ich wirklich froh, dass sie überhaupt Pläne für ihren Geburtstag macht. Vor einem Monat wollte sie noch nicht einmal etwas von einer ganz kleinen Feier im Familienkreis hören.«
Tatsächlich hatte es Viveca zeit ihres Lebens vermieden, ihre Geburtstage allzu groß zu feiern. Immer hatte sie eine Idee gehabt, die einen großen Aufmarsch von Gratulanten verhinderte. Mal wollte sie unbedingt in die Oper nach Salzburg, mal hatte
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