Mittsommerzauber
sah, mit den riesigen blühenden Rhododendron-Büschen und dem sorgfältig mit hellem Kies belegten Weg, der in einem weiten Bogen auf den Eingang zuführte, wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie noch nie in so einem prachtvollen Haus gewesen war. Waren Leute, die in so einem Haus wohnten, vielleicht doch anders? Sie schüttelte den Kopf. Über Standesunterschiede nachzudenken war jetzt wirklich das Letzte, was sie wollte. Zumal es in Schweden ja offiziell keine Standesunterschiede gab. Sie riss sich zusammen und fragte den einen der beiden Gärtner, die gerade den frisch gemähten Rasen zusammenrechten, ob das das Haus der Svanbloms sei.
»Ja, da bist du schon richtig, Mädchen. Der Lieferanteneingang ist rechts hinten um die Ecke.«
Das brachte Katarina wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Lieferanteneingang? Sah sie aus wie ein Lieferant? Oder wie ein Dienstbote? Sie bedankte sich kurz und ging zu dem imposanten Haupteingang. Nach einem kurzen Zögern klingelte sie an der dicken Eichentür. Und da niemand öffnete, drückte sie einfach die geschmiedete Klinke herunter und betrat das Haus. Schließlich hatte sie ja einen Termin. Und wenn ihr niemand öffnete, musste sie eben selbst sehen, wie sie sich zurechtfand.
*
Sven hatte die Zeit völlig vergessen. Er saß mit seiner Mutter auf dem Podest am Wasser und trank Tee. Eine Zeremonie, die Viveca eingeführt hatte, als Sven ungefähr zehn Jahre alt war. Wenn er aus der Ganztagsschule nach Hause gekommen war, hatte er immer zuerst mit seiner Mutter eine Tasse Tee getrunken und ein paar Kekse gegessen, bevor er sich an die Hausaufgaben machte oder zum Sport ging. Viveca hatte diese halbe Stunde genauso geliebt wie ihr Sohn. Das war die Zeit am Tage, die nur ihnen beiden gehörte. Sven hatte aus der Schule berichtet, von seinen Lehrern, seinen Freunden. Viveca hatte zugehört. Lind war glücklich gewesen. Auch heute tranken sie, sooft es ging, zusammen den Nachmittagstee. Oft verschwand Sven für eine Stunde aus dem Büro, leistete seiner Mutter ein wenig Gesellschaft und ging dann zurück an seinen Schreibtisch.
Als er jetzt Marita und Katarina den Weg durch den Garten herunterkommen sah, sprang er auf. Es ärgerte ihn, dass er das Klingeln offensichtlich nicht gehört hatte. Es war ihm wichtig, Katarina seiner Mutter vorzustellen. Sie sollte sich die Vorschläge der jungen Köchin anhören, und dann würden sie die Sache festmachen. Sven hatte keinerlei Zweifel, dass Katarina auf Viveca einen genauso positiven Eindruck machen würde wie auf ihn.
»Katarina, schön, dass Sie da sind!« Er nahm ihre Hand, und fühlte dabei, dass sie ganz kalt war. Es amüsierte ihn ein bisschen, dass Katarina, die ihm so selbstbewusst und frech vorgekommen war, offensichtlich doch auch Lampenfieber hatte.
»Mutter, das ist Katarina Fredholm. Ich hab dir von ihr erzählt, sie soll das Catering auf deinem Fest machen.«
Viveca gab Katarina die Hand. Musterte sie mit prüfendem Blick. Sven kannte diesen Blick. Und er musste zugeben, er ärgerte sich ein wenig darüber. Diesen Blick hatte seine Mutter auch, wenn sie Dienstboten einstellte. Nicht hochnäsig, gar nicht. Aber sehr auf Distanz bedacht, sehr kritisch.
Katarina aber schien sich davon nicht beeindrucken zu lassen.
»Ich freue mich, Sie kennen zu lernen, Frau Svanblom. Sie haben einen wunderbaren Besitz hier.«
»Danke. Sven sagte, Sie seien eine hervorragende Köchin.«
Katarina freute sich über dieses Lob und zog aus der Mappe, die sie unter dem Arm trug, ein paar Bögen Papier.
»Ich habe hier mal aufgeschrieben, was ich mir für Ihr Fest vorstellen könnte. Natürlich ist das ganz unverbindlich. Ich bin für alle Vorschläge offen. Ich wollte Ihnen nur einmal die Bandbreite zeigen...«
Viveca unterbrach sie. »Sagen Sie, Sie haben doch sicher Referenzen. Wenn ich die zuerst einmal sehen dürfte.«
Sven zog hörbar den Atem ein. Katarina warf ihm einen Blick zu. Referenzen? Davon war doch nicht die Rede gewesen.
Aber Katarina blieb ganz professionell. »Natürlich könnte ich Referenzen beibringen. Aber ist die beste Referenz nicht Ihr Sohn? Er hat schon bei mir in Stockholm gegessen.«
»Dass Sie gut kochen können, ist das eine. Das andere aber ist die Frage, wie gut Sie organisieren können. Wissen Sie, es ist nicht unüblich, nach Referenzen zu fragen.«
Katarina war fest entschlossen, sich nicht demütigen zu lassen. Sie wollte diesen Job. Nur darum ging es.
»Wenn Sie darauf bestehen.
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