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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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jemand ihr diese einfachen Dinge erklärte.
    «Es dreht sich alles um das eigene Bewusstsein.» Plötzlich ruhten Patricias Augen direkt auf Jane, als habe sie ihre Gedanken gelesen, ihre Unsicherheit wahrgenommen.
    Ein Schauer lief Jane den Rücken hinunter. Sie hatte ein bisschen Angst vor Patricia, mit ihrem rauchgrauen Kleid und ihrem eng zusammengenommenen, pergamentfarbenen Haar. Sie hätte gerne gefragt, was genau Patricia mit «Bewusstsein» meinte, aber sie war heute erst zum zweiten Mal dabei und wollte nicht für dumm gehalten werden. Es würde zu ihren Aufgaben gehören, über das Wesen des Bewusstseins zu meditieren – sie hatte sich dafür in ihrem Wohnarbeitszimmer neben einem großen gelben Rechteck auf ihrer Mondrian-Wand eine spezielle Ecke eingerichtet. Sie hatte sogar schon ein Räuchergefäß gekauft, es aber noch nicht benutzt.
    Es war alles ein bisschen verunsichernd – und genau deshalb auch ganz toll.
    Patricia sah sie immer noch an. In dem Halbdunkel des Raumes schienen ihre Augen wie winzige Taschenlampenbirnen zu leuchten.
    Jane schluckte nervös. O Gott, sie hatten es spitzgekriegt. Sie hatten herausgefunden, dass ihre Mutter anglikanische Pfarrerinwar. Sie hielten sie für so eine Art Kirchenspionin. Jane sah zu Rowenna hinüber, doch Rowenna sah mit leerem Blick vor sich hin. Die anderen blickten friedvoll auf den Boden. Jane kannte keine von ihnen; Angela, der Tarot-Frau, war sie hier noch nicht begegnet.
    Die Fragen, die Jane erwartet hatte, bevor man sie in den Kreis aufnahm, waren nicht gekommen. Und wenn man in die aufgeladene Atmosphäre dieses kleinen Raumes kam, hatte man ohnehin keine Lust mehr, etwas von sich zu erzählen. Schon gar nicht, dass die eigene Mutter Pfarrerin war.
    «Keine Sorge, Jane», sagte Patricia plötzlich. «Wir sind hier, um dir zu helfen.» Darauf ließ sie ein schmales Lächeln folgen.
    Der Wind sang im Gebälk, und die Flamme der Öllampe zuckte, als würde sie sich ducken.
    Cool!
     
    Die Kirche wurde von zwei Öllampen auf Wandhalterungen, drei Kerzen und einer Sturmlaterne auf der zentralen Kanzel erleuchtet. Die Wirkung war trügerisch behaglich. Neben Huw Owen stand ein ziemlich junger Pfarrer mit Lockenmähne und einem hervorspringenden Kinn, der vor Merrily in ihrem Umhang zurückwich, als wäre sie ein Vampir, und in gespielter Abwehr die Hände in die Luft reckte.
    «Mrs.   Watkins, ich erbitte Vergebung.»
    «Von mir?»
    «Ich bin Jeffrey Kimball aus Dilwyn. Major Weston hat mich heute Morgen gebeten, das Notwendige zu veranlassen, und ich befürchte, ich habe einen Wutanfall bekommen und ihm einfach Ihre Nummer gegeben, die ich im Telefonbuch nachgeschlagen habe. Dieses bischöfliche Rundschreiben hat einfach meine Eitelkeit verletzt, es tut mir leid, dass ich das an Ihnen ausgelassen habe.»
    «Ich verstehe Ihr   …»
    «Um ehrlich zu sein, Mrs.   Watkins, ich habe mehr oder weniger gegen alles etwas einzuwenden, was dieser spezielle Bischof tut. Ich
hasse
Nominierungen jeder Art, die so unverhohlen politisch motiviert sind. Absolut jeder war der Ansicht, dass Hereford an Tom Armstrong gehen sollte – er war Kanonikus an der Kathedrale, bevor er als Dekan nach Reading gegangen ist   … Ein
unglaublich
fähiger Mann   … und dann haben sie eine unbedeutende Herzschwäche als Ausrede benutzt, um das Amt an Hunter zu geben. Ich mache kein Geheimnis aus meinen Ansichten, und mir ist klar, dass Sie   …»
    «Vielleicht könnten Sie diese Erklärungen auf später verschieben, mein Lieber», sagte Huw Owen.
    «Oh.» Pfarrer Kimball ließ die Arme fallen. «Ja, natürlich.»
    «Merrily braucht ein bisschen Ruhe», sagte Huw.
    «Ja, ich lasse Sie allein und bewundere inzwischen draußen das Mondlicht auf dem Schnee.»
    «Ja, geben Sie uns eine Viertelstunde.»
    «Ich kenne diesen Typ», sagte Huw, als der Riegel hinter Kimball in die Halterung gefallen war. «Kommt in das Alter, in dem die Bischöfe jünger aussehen als er. Wie geht’s Ihnen, junge Frau?»
    Sie umarmte Huw. Sie sahen sich das erste Mal seit dem Exorzisten-Kurs. Er trug eine Art Armeemantel und eine gelbe Pudelmütze.
    «Sind Sie darauf vorbereitet, Merrily?»
    «Klar.» Sie sah sich um, schnupperte, nahm aber nur einen schwachen Geruch nach Desinfektionsmittel wahr.
    «Wer hat hier sauber gemacht?», fragte Huw.
    «Das war ich. Ich konnte ja schlecht jemand anderen darum bitten, oder? Ich habe die   … Überreste draußen an der Mauer vergraben. Mit einer kleinen

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