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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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wütend.
    «Ich war allerdings erstaunt, als ich mitbekommen habe, dass Sie
allen
Frauen aus dem Weg gehen. Ihre Haushälterin rauszuwerfen war nicht besonders nett von Ihnen. Warum fürchten Sie sich eigentlich vor Frauen?»
    Sie legte unwillkürlich die Hand an den Hals. Den Priesterkragen trug sie weiterhin nicht.
    «Ich kenne Ihre Motive nicht, Kanonikus Dobbs. Aber ich habe trotzdem versucht, Ihnen zu verzeihen, dass Sie mich zu dieser letzten Nacht bei Denzil Joy gelockt haben.»
    Schon diesen Namen auszusprechen gab ihr wieder das Gefühl, beschmutzt zu sein.
    «Wenn Sie mir Angst einjagen wollten, mir zeigen wollten, wie schrecklich dieses Amt sein kann, dann haben Sie ziemlich großen Erfolg gehabt. Aber das war nicht der Grund, aus dem ich beschlossen habe, es abzulehnen.»
    Sie stand auf. Sie stellte ihm ein paar kernlose Trauben und zwei Flaschen Wasser auf den Nachttisch.
    «Das können Sie ja mit Huw Owen teilen, wenn er Sie das nächste Mal mit seinen Kerzen, seinem Weihwasser und seinen Kreidekreisen besucht.»
    Sie wartete. Er bewegte sich kein bisschen. Sie sah ihn genau an, doch er blieb liegen wie versteinert.
    Als sie an die Tür kam, blieb sie kurz stehen, denn durch die Scheibe sah sie, dass Lol plötzlich die Augen aufriss. Doch sie widerstand der Versuchung, sich umzudrehen.
    Vor der Zimmertür wandte sie sich nach rechts zum Eingang der Station. Sie vermied es, in die Richtung des Zimmers zu blicken, in dem Denzil Joys Geist seinen Körper verlassen hatte.
    Um sich wohin zu verflüchtigen?
    Ein Schauer lief ihr wie eine Rasierklinge das Rückgrat hinunter.
     
    «Er hat die Augen geöffnet», erklärte ihr Lol vor dem Krankenhaus. «Sobald du ihm den Rücken zugedreht hast. Als er mich durch die Scheibe gesehen hat, hat er sie sofort wieder geschlossen.»
    Merrilys Volvo stand in der Nähe des kleinen Parks bei der Fußgängerbrücke über den Wye. Sie lehnten sich an das Geländer.
    «Dann hat er vermutlich alles gehört, was ich gesagt habe.»
    «Jedes Wort. Sein Blick war vollkommen klar – und wahnsinnig wütend, als er mich gesehen hat.»
    «Dann ist es ja gut. Meine Güte!»
    «Mmmh.» Dobbs’ Blick hatte Lol beunruhigt. Aus den Augen des Kanonikus hatte die kalte, wachsame Intelligenz eines alten Tigers gesprochen.
    Merrily sagte: «Könnten wir ein paar Schritte gehen? Ich muss versuchen, einen klaren Kopf zu bekommen.»
    Sie gingen wirklich nur ein paar Schritte bis zu einer Art Aussichtsplattform mit Blick auf den Wye und die Fußgänger-Hängebrücke.
    «Als ich das letzte Mal hier war, hat mir Inspector Annie Howe gezeigt, wo sie eine Leiche gefunden hatten.»
    «Was du für aufregende Sachen erlebst, Merrily.»
    «Viel zu aufregend für meinen Geschmack.» Sie stand neben einem verschnörkelten Laternenpfosten mit dem Rücken zum Fluss. «Also, das heißt doch, dass Dobbs aktiv an Huws Ritual teilgenommen hat, oder? Womöglich hat er es sogar selbst angeordnet.»
    «Du bist die Expertin.»
    «Offensichtlich nicht, sonst wüsste ich, worum es überhaupt geht.»
    «Und weil dieser Huw das hinter deinem Rücken gemacht hat, willst du dich jetzt von dem Amt zurückziehen?»
    Sie zuckte mit den Schultern.
    «Ich blicke immer noch nicht durch.»
    «Lol, er war mein Kursleiter: der Exorzismus-Profi. Er ist der Einzige, den ich als spirituellen Ratgeber hatte. Ich habe ihn geschätzt. Ich
mochte
ihn.»
    «Ich verstehe.»
    «Nein, tust du nicht. Er war so etwas wie eine Vaterfigur für mich. Aber noch wichtiger ist, dass ich darauf vertraut habe, er würde mich durch   … durch das Hinterland der Hölle führen, wenn man das so sagen kann. Und was ist, wenn an dem, was die beiden da zelebriert haben, irgendwas Fragwürdiges ist?»
    «Fragwürdig?»
    «Ach, ich weiß auch nicht.»
    «Aber du wüsstest es gern.»
    «Ja.» Ihr dunkles Haar schimmerte im Licht der Straßenlaterne.
    «Ist das rein berufliches Interesse?»
    «Ich habe an dieser Sache kein berufliches Interesse mehr. Ich bin einfach nur unheimlich wütend. Dieser
Scheißkerl

    «Sehr schön.»
    «Wie?»
    «Ich bin froh, dass du wütend bist. Als ich dich in der Church Street gesehen habe, warst du ungefähr so lebhaft wie Mr.   Dobbs in seinem Bett. Ich mache mir eben leicht Sorgen.»
    Sie lächelte kopfschüttelnd. «Lol   …»
    «Mmmh?»
    «Ich hab ein paar dumme Sachen gesagt, okay? Sachen, die nicht unbedingt wahr sind.»
    «Welche genau meinst du?»
    «Kannst du dir aussuchen», sagte Merrily. Ihre Wangen wurden

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