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Mittwinternacht

Mittwinternacht

Titel: Mittwinternacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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der Zeitung lesen. Sie hat bestimmt nicht angefangen, Babys zu opfern oder so.»
    Dennoch musste er daran denken, dass er Jane und dieses andere Mädchen lange nach Ladenschluss aus dem
Pod’s
hatte kommen sehen. Und Jane hatte zum allerersten Mal so getan, als hätte sie ihn nicht gesehen.
    «Wenn wir hier in London wären», sagte sie, «würde ich damit klarkommen. Oder wenn Jane erwachsen wäre und schon nicht mehr bei mir wohnen würde. Sogar wenn sie es mir einfach ins Gesicht gesagt hätte   …»
    «Merrily, das hat überhaupt nichts zu bedeuten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du deshalb einfach deinen Job aufgegeben hast. Es liegt an diesem Bischof, oder?»
    «Wieso am Bischof?»
    «Er hat es wieder bei dir versucht, stimmt’s?»
    «Nein.» Sie lächelte. «Er hat sich   … okay benommen. Abgesehen davon habe ich es ja vielleicht auch falsch verstanden. Es war schließlich ziemlich spät, und ich war unheimlich müde. Nein, ich bin einfach nur   … paranoid.» Sie hielt ihre halbgerauchte Zigarette hoch. «Abgesehen davon habe ich ekelhafte Laster und bade ständig in Selbstmitleid.»
    Er nickte in Richtung der Zigarette. «Und was sollen deine anderen Laster sein?»
    Merrily errötete leicht. Sie hatte gar keine ekelhaften Laster.
    «Dann   … sag mir einfach, dass ich mich zusammenreißen soll, okay?»
    «Mir gefällt es aber, wenn du ein bisschen aufgelöst bist. Dann kann ich mich verantwortlich und als Beschützer fühlen – wie ein richtiger Kerl eben.»
    Sie lächelte.
    «Und was willst du jetzt machen?»
    «Ich gehe zurück zu meiner Schafherde und versuche eine gute, kleine Schäferin zu sein. Die Exorzistensache war ein falscher Weg für mich. Ich dachte, man könnte es mit der Zeit lernen. Mir war nicht klar   … Ich bin eine Hochstaplerin, Lol. Ich verstehe überhaupt nichts von dem, was ich da mache. Ich enttäusche alle Leute. Ich habe sogar dich enttäuscht. Ich hatte gesagt, ich würde mit dir zu deiner Freundin gehen, Moon   …» Sie sah ihn ratlos an. «War das erst gestern?»
    «Mmmh.»
    «Ich könnte mich ja trotzdem noch mit ihr unterhalten. Schließlich bin ich immer noch so eine Art Pfarrerin.»
    «Sie ist jetzt nicht da», sagte er sehr leise.
    «Lol?» Sie sah ihn zum ersten Mal, seit sie am Tisch saßen, direkt an.
    «Sie ist gestorben.»
    Ihre Miene erstarrte.
    «Nein!» Er hob die Hände. «Sie war schon lange tot. Es gab nichts, was du hättest tun können.»
    Und dann erzählte er ihr davon: von dem Schwert aus der Eisenzeit   … von dem fünfundzwanzig Jahre alten Zeitungsartikel   … warum Denny die Wahrheit verschwiegen hatte – beziehungsweise wie Denny es begründet hatte, dass er die Wahrheit verschwiegen hatte   … warum Denny dachte, sie sollten die ganze Angelegenheit auf sich beruhen lassen.
     
    Merrily schüttelte den Kopf. Er war erleichtert, als er sah, wie die Empörung ihre Lebensgeister wieder weckte.
    «Lol, so etwas habe ich ja noch nie gehört   … Das ist   … Da stimmt irgendetwas überhaupt nicht, das findest du doch auch, oder?»
    «Aber was ändert das? Wir können sie nicht zurückholen. Und wir werden nie erfahren, was in ihr vorgegangen ist.»
    «Und was ist mit diesem Buch, das sie schreiben wollte?»
    «Wollte. Ich glaube nicht, dass sie auch nur ein Wort zu Papier gebracht hat. Und wenn irgendwelche Notizen herumliegen, wird Denny sie finden. Und wenn etwas drinsteht, das ihm nicht gefällt, dann wird er die Papiere vernichten, ohne irgendwem etwas davon zu erzählen.»
    «Wirst du als Zeuge zu der amtlichen Untersuchung gerufen werden?»
    «Ich schätze schon. Ich war der Erste   … der in das Badezimmer gegangen ist.»
    «Und was wirst du sagen?»
    «Ich beantworte einfach ihre Fragen. So müsste zumindest die
halbe
Wahrheit zur Sprache kommen.»
    «Und die andere Hälfte
kann
nicht wahr sein, weil sie so irrational ist.» Sie sah in ihre Tasse, als könne sie irgendeine Weisheit aus den Teeblättern herauslesen. «Es tut mir wirklich leid, Lol.»
    Nach einer Weile fügte sie hinzu: «Was ist, wenn du dich bei deiner gesamten Arbeit mit Dingen beschäftigst, die drei Viertel der zivilisierten Welt heutzutage als irrational bezeichnen?»
    «Das ist vermutlich ziemlich stressig», sagte er. In dem Café war inzwischen das Licht angeschaltet worden, aber es schien Merrily irgendwie nicht zu erreichen.
Was erzählt sie mir nicht?
    Sie sagte: «Weißt du, warum sich manche Pfarrer ständig bis zum Anschlag mit

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